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2 DIE THUN-HOHENSTEIN’SCHEN REFORMEN
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Die Universitäten gliederten sich demnach in vier Fakultäten, die aus
Lehrenden und Studierenden bestanden. Der Lehrkörper wurde aus ordent-
lichen und außerordentlichen Professoren und den Privatdozenten gebildet.
Die Privatdozenten als dritte Gruppe der Lehrenden waren nicht staatlich
bestellte Lehrer, sondern von der Fakultät zugelassene Universitätslehrer,
die sich durch die Habilitation in ihrem Fach die Erlaubnis zur Lehre er-
worben hatten. Das Amt des Privatdozenten wurde damals neu eingeführt,
wenngleich es mit dem Adjunkten im Vormärz einen gewissen Vorläufer zu
dieser Personengruppe gegeben hat.97 Die Privatdozenten wurden durch die
ebenfalls neu eingeführten Kollegiengelder bezahlt und aus dieser Gruppe
sollten sich die geeigneten Kandidaten für einen Lehrstuhl rekrutieren.
Die Zeit als Privatdozent stellte dabei eine Bewährungsphase dar, in der
durch eigene Forschungsleistungen und erfolgreiche Lehre die Eignung
für eine Professur unter Beweis gestellt werden sollte. Damit versinnbild-
licht das neue Amt des Privatdozenten auch die Verbindung von Lehre und
Forschung auf universitärem Boden.98 Das Professorenkollegium hatte die
Leitung der Fakultät inne und wählte zu diesem Zweck aus ihren Reihen
einen Dekan. Die Privatdozenten genossen dabei nur aktives Wahlrecht. Die
fakultären Rechte der Privatdozenten waren im Übrigen ein Streitthema ge-
wesen, das nicht nur in Österreich, sondern auch auf der Versammlung der
deutschen Universitätslehrer im Jahr 1848 intensiv diskutiert worden war.99
Die Doktorenkollegien – also die Vereinigung aller Doktoren einer Universi-
tät – die damals nur in Wien und Prag noch bestanden, wurden aus der Ver-
waltung der Universität weitgehend ausgeschlossen, abgeschafft wurden sie
auf Grund des großen Widerstands jedoch nicht. Gerade in Wien blieb das
entmachtete Gremium aber noch lange ein steter Unruheherd, der sich vehe-
ment gegen die Umsetzung der Reform sträubte.100 Die Überantwortung der
97 Im Studienhofkommissionsdekret vom 14. Februar 1817 werden die Adjunkten als „Pflanz-
schulen“ bezeichnet, aus denen später „taugliche“ Professoren hervorgehen sollten. Eine
Formulierung, die ganz ähnlich bei der Rechtfertigung der Einführung der Habilitation
und Privatdozentur nach 1848 gebraucht wurde. Vgl. auch bei meister, Entwicklung und
Reformen des österreichischen Studienwesens, Dokumente, S. 66.
98 Vgl. zur Entstehung und Bedeutung der Privatdozentur, besonders aber zum Einfluss der
Privatdozentur auf die Entwicklung der Universitäten und Wissenschaften in Deutschland
bei PaLetscHek, Die permanente Erfindung einer Tradition, S. 227–246; auch bei Martin
scHmeiser, Akademischer Hasard. Das Berufsschicksal des Professors und das Schicksal
der deutschen Universität 1870–1920, Stuttgart 1994.
99 Siehe dazu die Versammlungsprotokolle bei Ottomar domricH/Heinrich Häser, Verhand-
lungen deutscher Universitätslehrer über die Reform der deutschen Hochschulen in der
Versammlung zu Jena vom 21. bis 24. September 1848, Jena 1848, S. 49–57.
100 Vgl. dazu Waltraud HeindL, Universitätsreform – Gesellschaftsreform. Bemerkungen zum
Plan eines „Universitätsorganisationsgesetzes“ in den Jahren 1854/55, in: Mitteilungen des
Österreichischen Staatsarchivs 35 (1983), S. 134–149.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen