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2.5. DIE GRUNDZÜGE DER REFORM 93
Verwaltungsaufgaben der Universität an die Professorenkollegien erscheint
damit zu einem gewissen Punkt auch als eine Rückkehr zur korporativen
Verfassung der Universität, die Entmachtung der Doktorenkollegien hinge-
gen spricht demgegenüber eine deutlich andere Sprache. Zudem besaßen die
Universitäten nur im Bereich der Lehre, der Überwachung der Studenten
und dem Recht, selbst Professoren und Privatdozenten (allerdings nur nach
ministerieller Zustimmung) zu berufen, eigene Kompetenzen. Tatsächlich
wurde die Entwicklung, die seit der späten Neuzeit begonnen hatte, nämlich
die Universitäten zu Staatsanstalten zu machen, auch unter Thun fortge-
setzt.101 Der rechtliche Status der Universitäten wurde mit der Thun’schen
Reform allerdings nicht eindeutig geklärt.102
Der eigentliche Kernpunkt der Reform war jedoch die Aufwertung des
philosophischen Kurses zu einer den anderen drei Fakultäten gleichwerti-
gen Fakultät. Innerhalb der Fakultät konnten sich damit die einzelnen Fä-
cher zu eigenständigen Disziplinen entwickeln. Eine zentrale Aufgabe der
Fakultät sollte die Ausbildung von Lehrern für den sekundären Bildungs-
bereich werden. Insgesamt war damit zwar eine Kernforderung von Kant,
nämlich die Aufwertung des philosophischen Kurses zur Fakultät, umge-
setzt worden, allerdings verlor die Fakultät dadurch auch ihren allgemein-
bildenden Charakter sowie die Funktion eines Korrektivs für die anderen
Fakultäten, was in der Konzeption des Königsberger Philosophen noch eine
wichtige Rolle gespielt hatte. Die propädeutische Funktion der philosophi-
schen Kurse wurde den Gymnasien zugeschlagen, die dazu auf acht Jahre
verlängert wurden. Allerdings erhielten auch die Gymnasien einen durch-
gängig neuen Aufbau, was grundlegende Änderungen bei den unterrichteten
Fächern und deren Verteilung nach sich zog.
Das Ziel der Gymnasien war laut Organisationsplan „eine allgemeine hö-
here Bildung unter wesentlicher Benützung der alten klassischen Sprachen
und ihrer Literatur zu gewähren und zugleich für das Universitätsstudium
vorzubereiten.“103 Der Lateinunterricht wurde stark reduziert, stattdessen
die Zahl der Unterrichtsstunden in Griechisch angehoben. Der philosophi-
sche Unterricht, der in den alten philosophischen Kursen an der Universität
101 Vgl. besonders HeindL, Universitätsreform – Gesellschaftsreform, S. 138–144; zuletzt Jo-
hannes feicHtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt. Von Bolzano über Freud zu Kel-
sen: Österreichische Wissenschaftsgeschichte 1848–1938 (= Science Studies), Bielefeld
2010, S. 132–133.
102 Vgl. Günther winkLer, Die Rechtspersönlichkeit der Universitäten. Rechtshistorische,
rechtsdogmatische und rechtstheoretische Untersuchungen zur wissenschaftlichen Selbst-
verwaltung (= Forschungen aus Staat und Recht 80), Wien, New York 1988, besonders S.
15–26; HöfLecHner, Nachholende Eigenentwicklung?, S. 106.
103 Vgl. Organisationsentwurf §1–2.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen