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2 DIE THUN-HOHENSTEIN’SCHEN REFORMEN
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Aufgabe als Unterrichtsminister eingeholt.171 Die vielfach zitierten Memo-
randen Jarckes, eine Rede Thuns bei einer Promotion sub Auspicis an der
Universität Wien, die Abhandlung des Ministeriums Die Neugestaltung der
Österreichischen Universitäten172 sowie einige versprengte Gedanken aus
Briefen lassen auf das schließen, was man als Thuns eigene Vorstellungen
zur Universitätspolitik bezeichnen könnte. Prägend waren daneben auch
seine Erlebnisse als Student der Jurisprudenz an der Karls-Universität in
Prag sowie, deutlich einschneidender, die Erfahrungen aus dem Jahr 1848,
als die Studenten und Schüler in der ersten Reihe der Revolutionäre standen
und das staatliche Gefüge der Habsburgermonarchie ins Wanken brachten.
In zahlreichen Briefen der Korrespondenz Thuns schwingt diese Furcht vor
einer neuerlichen Revolution der Studenten mit und das Verhindern einer
solchen wurde zu einer wesentlichen Triebfeder von Thuns Handeln als
Unterrichtsminister. Als das probateste Mittel hierzu sah Thun – anders
als mehrere seiner Ministerkollegen – nicht eine verbesserte Überwachung
der Studenten, sondern vielmehr eine Abkehr von der Gängelung der Stu-
denten durch rigide Studienordnungen und der Überwachung durch Stu-
diendirektoren sowie die Steigerung der wissenschaftlichen Qualität der
Universitäten.173 Ganz so hatte Karl Ernst Jarcke es ihm geraten. Jar-
cke sah im Studiensystem des Vormärzes lediglich eine Schule „der allen
Glauben übersteigenden Plattheit und Bornirtheit der gewöhnlichen, fa-
briksmäßigen Durchschnittsbildung“174, die es zu überwinden gelte. Der
Minister müsse dazu „den wissenschaftlichen Sinn“175 fördern und dabei
präzisierte er:
Unter wissenschaftlichem Sinn verstehe ich hier ganz allgemein die Lust und
Freude am Studium als solchem, die Freude an jeder in die Tiefe gehenden
171 Memorandum von Karl Ernst Jarcke, Welholzen bei Traunstein 5.08.1849, Nachlass Leo
Thun-Hohenstein, A3 XXI C133, Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tet-
schen-Bodenbach. Das Memorandum ist an Friedrich Thun, den Bruder Leos, gerichtet.
Friedrich war zu dieser Zeit als Diplomat in München, wo Jarcke seit seiner Entlassung
aus dem österreichischen Staatsdienst im Jahr 1848 lebte. Das Memorandum ist abge-
druckt bei Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, S.
295–300.
172 Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl darge-
stellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht.
173 Vgl. dazu die Diskussionen im Ministerrat im Jahr 1853, Protokolle bei Lentze, Die Univer-
sitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, S. 306–333, hier S. 312–314.
174 Vgl. Memorandum von Karl Ernst Jarcke, Welholzen bei Traunstein 5.08.1849, Nachlass
Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI C133, Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tet-
schen-Bodenbach.
175 Ebenda.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen