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2.6. LEO THUN-HOHENSTEIN 109
durch die Begünstigung der historischen Methode in den Rechtswissenschaf-
ten sollte die Rechtswissenschaft in Österreich aus dem „Zustand des juri-
dischen Schlafes“186 geweckt und die Dominanz des Naturrechts gebrochen
werden.187 Die juridischen Studien nahmen insgesamt eine zentrale Rolle in
Thuns Überlegungen ein, denn sie waren die Rekrutierungsstätten für die hö-
here Beamtenschaft, die wiederum eine Grundsäule der Monarchie bildete.
Auch der Geschichtswissenschaft schenkten Thun und sein Staatssekre-
tär, sein enger Berater Joseph Alexander Helfert, große Aufmerksamkeit.
Ihr maß Thun eine doppelte Rolle zu. Einerseits sollte sie die Studenten (be-
sonders auch die Juristen) mit der historischen Methode vertraut machen,
andererseits sollte sie in Form einer vaterländischen Geschichte, auch als
staatstragende Ideologie die historische Gewachsenheit des Reichs und da-
mit die historische Mission der Habsburger erforschen sowie herausstellen
und auf diese Weise zur Stabilität des Reiches beitragen. In diesem Sinne
wurde auch das Institut für österreichische Geschichtsforschung in Wien ge-
gründet, das als erste Schule für österreichische Historiker etabliert werden
und durch historische Forschungen zur Geschichte der österreichischen Mo-
narchie herausragen sollte.188 Nicht zuletzt waren es die klassischen Spra-
chen, die Thun besonders förderte. Dies war auch nötig geworden, um den
Bedarf an Lehrern für die Gymnasien decken zu können, an denen Grie-
chisch und Latein durch den neuen Lehrplan Kernelemente geworden wa-
ren. An der Personalpolitik in diesen Fächern zeigt sich besonders deutlich,
wie wichtig Thun die Person des Professors und des Lehrers war.189 Er sollte
Studenten und Schülern den Weg weisen und sie vor einem falschen Ver-
ständnis der antiken Kulturen behüten.
Lentze, Graf Thun und die deutsche Rechtsgeschichte; zuletzt auch besonders Johan-
nes feicHtinger, Positivismus in der österreichischen Philosophie. Ein historischer Blick
auf die frühe Positivismusrezeption, in: Newsletter Moderne. Zeitschrift des Spezialfor-
schungsbereichs Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900 7 (2004), S. 24–29.
186 Rede des Grafen Leo Thun bei der Promotion Sub Auspicis des Dr. Julius Fierlinger,
11.05.1852. Abgedruckt bei Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo
Thun-Hohenstein, S. 304–306, hier S. 305.
187 Vgl. dazu auch Thun an Hye, Wien 03.11.1852, Nachlass Hye, Karton 23, Österreichisches
Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv.
188 LHotsky, Geschichte des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 1854–1954, S.
7–27. Georg Christoph Berger waLdenegg, Vaterländisches Gemeingefühl und nationale
Charaktere. Die kaiserliche Regierung im Neoabsolutismus und die Erfindung einer öster-
reichischen Nationalgeschichte, in: Hans Peter Hye/Brigitte Mazohl/Jan Paul Niederkorn
(Hgg.), Nationalgeschichte als Artefakt, Wien 12009, S. 135–178.
189 Vgl. Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl dar-
gestellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht, S. 60–62.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen