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3.2. RECHTLICHE NEUERUNGEN FÜR DIE UNIVERSITÄT 127
war, dass ansonsten „der Sprung vom Gymnasium in die Universität immer
zu groß und daher sehr gefährlich“89 wäre, wenn man nicht für einen be-
hutsamen Übergang vom Gymnasium zur Lernfreiheit sorge. Sie plädierten
daher dafür, dass man die Kurse nicht dem Gymnasium zuschlage, sondern
stattdessen zwei Lyzealklassen90 einrichten sollte. Diese würden dann eine
Mittelstellung zwischen Gymnasium und Universität, zwischen Kontrolle
und Lernfreiheit, einnehmen. Auch eine räumliche Trennung vom Gymna-
sium empfahlen die Professoren.
An der Universität Graz gab es im Übrigen ähnliche Bedenken und auch
dort formierte sich der Widerstand gegen die Vorgaben aus Wien. Bemer-
kenswert ist, dass die Grazer Universität sich auch an andere Universitä-
ten wandte, um gemeinschaftlich gegen die Pläne protestieren zu können.91
Allerdings findet sich in den Akten der Innsbrucker Fakultät kein Nieder-
schlag, dass es sich bei dem Protest um eine direkte Folge der Grazer Initia-
tive handelte – die Argumente ähneln sich jedoch.
Die Proteste waren jedoch wenig erfolgreich – im Herbst 1848 führte man
eine erste Lyzealklasse ein, an der keine Lernfreiheit gelten sollte.92 Der
Name Lyzealklasse wurde gewählt, um den vorläufigen Übergangscharak-
ter der Einrichtung zu verdeutlichen. De facto wurden die Kurse dem Gym-
nasium zugeschlagen und auch dort abgehalten. Diejenigen Studenten, die
bereits ein Jahr des alten philosophischen Kurses absolviert hatten, sollten
indes in den Genuss der Lernfreiheit kommen. Außerdem wurde ihnen der
Übertritt in ein Fakultätsstudium mit der Auflage erlaubt, freiwillig einige
fehlende Kurse zu belegen.93 Den Professoren kam man dahingehend ent-
gegen, dass sie in ihrer Tätigkeit nicht dem jeweiligen Gymnasialpräfekten
unterstellt wurden.94
Die Sorge um die allzu schnelle Gewährung der Lernfreiheit für Absol-
venten des Gymnasiums war jedoch nicht die einzige, welche die Professoren
89 Haidegger an das Unterrichtsministerium, Innsbruck 21.07.1848, Akten der Philosophi-
schen Fakultät 15, ad 3679/PH ex 1847/48, Universitätsarchiv Innsbruck.
90 Als Lyzeen wurden damals vorwiegend Studienanstalten bezeichnet, die an ein Gymna-
sium anschlossen und anders als Universitäten nicht aus allen vier Fakultäten bestanden.
Darüber hinaus besaßen Lyzeen kein Promotionsrecht. Die Innsbrucker Universität war
im Laufe ihrer Geschichte mehrfach zu einem Lyzeum zurückgestuft worden. Zuletzt war
dies von 1814–1826 der Fall gewesen.
91 Siehe Bauer, Eine Reform unter dem Mikroskop, S. 84–86.
92 Erlass 5293/801 vom 18.08.1848, Wien 18.08.1848, Akten der Philosophischen Fakultät 15,
ad 3679/PH ex 1847/48, Universitätsarchiv Innsbruck.
93 Vgl. auch 3432/Praes. Bissingen an die philosophische Fakultät, Innsbruck 14.07.1849, Ak-
ten der Philosophischen Fakultät 15 252/PH ex 1848/49, Universitätsarchiv Innsbruck.
94 Siehe 4507/Praes. Brandis an die philosophische Fakultät, Innsbruck 23.11.1848, Akten
der Philosophischen Fakultät 15, 3724/PH ex 1848/49, Universitätsarchiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen