Page - 129 - in Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860 - Aufbruch in eine neue Zeit
Image of the Page - 129 -
Text of the Page - 129 -
3.2. RECHTLICHE NEUERUNGEN FÜR DIE UNIVERSITÄT 129
sorgt bangte man um den Verlust allgemeiner „Menschenbildung“101, welche
die philosophische Fakultät in allen Studenten fördern sollte.
Nichtsdestotrotz begann im November 1848 – verspätet zwar, aber im-
merhin – das neue Schuljahr mit dem angesprochenen Provisorium. Für die
Professoren des philosophischen Kurses hatte sich damit, abgesehen vom
Namen der Einrichtung, in welcher sie unterrichteten, wenig geändert. Die
Reform der eigentlichen philosophischen Studien war zu diesem Zeitpunkt
noch nicht erfolgt, was aber wenig ins Gewicht fiel, da in diesem Jahr keine
Schüler aus dem Gymnasium in ein solches Studium übertreten konnten.
Nach einem Jahr mit diesem Provisorium, das die Professoren offenbar
als sehr schwierig empfanden („Erfahrung eines schweren Jahres“102), mel-
deten die Professoren der philosophischen Fakultät im Juli 1849 neuerlich
einige Reformvorschläge für das Gymnasium bzw. die neue philosophische
Fakultät und zeigten sich ziemlich unzufrieden mit der Situation. Zwei
Dinge kritisierten sie heftig: erstens die allzu schnelle Gewährung der Lern-
freiheit, was aus ihrer Sicht zu teils chaotischen Zuständen geführt hatte,
und zweitens die bloße Angliederung der ehemaligen philosophischen Kurse
an das Gymnasium. Letztere Maßnahme führe nicht dazu, dass besser gebil-
dete Studenten an die Universität kämen.
Außerdem erachtete die Fakultät den Sprung vom behüteten Gymnasium
in die Lernfreiheit der Universität als viel zu groß. Sie wiederholten damit
ihre Bedenken aus dem Vorjahr und plädierten für eine „Mittelstellung zwi-
schen den Gimnasial- und Universitätsstudien“. Denn aus ihrer Sicht wür-
den zu viele Argumente gegen eine Verschmelzung des ehemaligen philoso-
phischen Kurses mit dem Gymnasium sprechen: etwa die unterschiedliche
Natur der Studien. Während nämlich am Gymnasium vornehmlich das Ge-
dächtnis geübt werde, sollten die philosophischen Studien den Verstand bil-
den. Die philosophischen Fächer würden auf Gymnasialniveau herabsinken
und zu reinen Gedächtnisstudien verkommen, was ganz und gar dem Zweck
der Philosophie zuwiderlaufe.
Als zweiten und wichtigeren Grund führten sie an, dass ein „Übertritt
in eine höhere Lehranstalt und eine minder eingeschränkte Bewegung das
Ehrgefühl regen und männliches Selbstgefühl erwecken“ könne und damit
der Übergang vom Knaben zum jungen Mann auch äußerlich signalisiere.
Aber nicht nur auf Seiten der Schüler/Studenten sahen sie Probleme, viel-
Entwicklung der Studentenzahlen in Kapitel 4.2.
101 Bitte um Wiederherstellung der Universität mit allen vier Fakultäten (Konzept), Inns-
bruck Juli 1848, Akten des Rektorats 17, 217/R ex 1848/49, Universitätsarchiv Innsbruck.
102 Philosophische Fakultät an MCU, Innsbruck 30.07.1849, Akten der Philosophischen Fakul-
tät 15, 255/PH ex 1848/49, Universitätsarchiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen