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3.4. ERSTE PROBLEME BEI DER UMSETZUNG DER REFORM 143
Mehrfach treffen wir damit wieder auf das Bild des Marktes und des
Handels, das bereits im 18. Jahrhundert für die Beschreibung der Situation
in Göttingen verwendet wurde, dort jedoch mit positiver Konnotation. Die
Verankerung des Konkurrenzgedankens in der Universität wurde auch von
anderen Kommentatoren der Reformen kritisch beurteilt, etwa in der Wie-
ner Zuschauer. Zeitschrift für Gebildete161. Zugleich sah der Autor dort die
Kollegiengelder auch als Ersatz für die abgeschafften Semestralprüfungen,
da den Kollegiengeldern nun die Funktion zukäme, die Studenten zum Stu-
dieren anzuhalten:
Man beruft sich so gerne auf das Ausland und hat oft Recht. Im Ausland nun
sind freilich keine Semestralprüfungen, aber da bestehen Kollegiengelder,
welche der Studirende, will er das Kollegium hören, im Vorhinein bezahlen
muß. Der Mensch bedarf in der Regel eines Antriebes, um anstrengende Ge-
schäfte zu verrichten. Bei uns war es bisher die zu einer bestimmten Zeit ab-
zulegende Prüfung, die den Schüler in die Vorlesungen trieb; im Ausland ist
es das bezahlte Kollegiengeld.162
Ein weiteres Argument gegen die Einführung der Kollegiengelder, das all-
gemein hervorgehoben wurde, war die Furcht, dass damit unbemittelten
Studenten der Weg zu einem Studium verschlossen werde.163 Um dieser
Sorge zu begegnen, hatte man im Gesetz daher die Möglichkeiten der Be-
freiung von den Kollegiengeldern vorgegeben, allerdings mit dem Hinweis,
dass – gerade bei dem „innigen Zusammenhange zwischen der Entrichtung
von Collegiengeldern und dem ganzen System der Lehr- und Lernfreiheit“164
– die Befreiung eine Ausnahme bilden sollte und nur an Studierenden „a)
von tadellosem Benehmen stattfinden, welche b) ihre wahrhafte Dürftigkeit,
und c) eine ausgezeichnete wissenschaftliche Verwendung nachweisen kön-
nen.“165 Ein Blick in die Matrikel der Universität Innsbruck zeigt aber für die
1850er-Jahre, dass diese Ausnahmen durchaus häufig vorkamen und etwa
die Hälfte der Studenten entweder teilbefreit waren oder gar keine Kollegi-
engelder zahlen mussten.
Schließlich verweist die Kritik an der Einführung des Kollegiengeldes
auch noch auf einen wichtigen Punkt innerhalb der Reformdebatte, nämlich
161 Auch ein Wort über die Reform des Unterrichts, in: Wiener Zuschauer. Zeitschrift für Ge-
bildete, 180 (07.08.1849), S. 1434–1436.
162 Ebenda, S. 1435.
163 Ebenda; Collegiengelder, oder nicht?
164 RGBl 310/1850, § 15.
165 Ebenda.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen