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4 ENTWICKLUNGSTENDENZEN DER UNIVERSITÄT IN DER ÄRA
THUN166
verbindungen60 und Clubs61 in den 1860er- und 1870er-Jahren.
Auch im Zuge der Reformdebatte in Innsbruck waren die Studenten meist
Verhandlungsobjekte. Die Studenten äußerten sich zwar positiv über die
Reformen des Staates und die erkämpften Grundrechte62, aber wir haben
letztlich keine spezifischen Aussagen von Studenten zur Reform der Univer-
sitäten.
Die Professoren, die versuchten auf den Reformprozess einzuwirken, ver-
wiesen hingegen mehrfach auf das Benehmen der Studenten und die Frage,
wie sich die Reformen auf die Studenten auswirken werde. Dabei ging es
um die Frage, inwieweit besonders die jüngeren Studenten mit der Lern-
freiheit verantwortungsvoll umgehen würden. Die Studierenden bzw. deren
Verhalten waren ein Kernargument bei fast allen Fragen der Reform. In der
Regel hoben die Professoren die Treue und die Loyalität der Innsbrucker
Studenten hervor und bezeugten damit sowohl die mäßigende Kraft, die sie
selbst, als auch das katholische Umfeld des Landes auf die Studenten besä-
ßen, um den Universitätsstandort in Innsbruck zu retten. Andererseits ver-
wiesen sie auf die potentiellen Gefahren, die von den Studenten ausgingen,
und untermauerten somit die Forderung nach einer stärkeren Überwachung
der Studenten durch eine neue Disziplinarordnung, in der den Professoren
selbst die wesentliche Rolle bei der Überwachung der Studenten zukam.63 So
wurden die Studenten und deren loyales Verhalten während der Revolution
in den 1850er-Jahren immer wieder als politisches Pfand bei Verhandlungen
und Anträgen der Universität an das Ministerium verwendet.
Selten sind in diesem Jahrzehnt indes öffentliche Untersuchungen und
Beschwerden über das Verhalten der Studenten, in denen auch politische
Ansichten und ihre Einstellung gegenüber den Reformen erkennbar wer-
den.64 Dennoch haben wir mit der Episode um die öffentliche Insultierung
des Journalisten Quirin Endlich65 im Jahr 1852 ein interessantes Zeugnis
von einem solchen Fall.66 Endlich wurde während eines Aufenthalts in
60 Vgl. hier besonders BöscHe, Zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Schönerer.
61 Beispielhaft die Tätigkeit des Historikerclubs: Herbert irsara, Studentisch-wissenschaftli-
ches Leben an der Universität Innsbruck. Das erste Dezennium des akademischen Histori-
kerklubs in Innsbruck (1872–1882). Edition der Klubchronik mit Einleitung. Diplomarbeit,
Innsbruck 2003.
62 Gruß an die Studenten Wiens von den Studenten Innsbrucks.
63 Vgl. dazu Kapitel 3.2. und 3.3.
64 Vgl. zu einigen Fällen von studentischen Unmutsäußerungen und Relegationen wegen po-
litischer Aktivitäten bei oBerkofLer et al., Geschichte der Universität Innsbruck (1669–
1945), S. 156–159.
65 Quirin Endlich (†1888 Wien), Journalist.
66 Ministerialerinnerung, Wien 20./23.03.1852, MCU Präs., 136 ex 1852, Österreichisches
Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen