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5.1. EINLEITUNG 171
selbst in die Hand oder setzte sich über den Dreiervorschlag der Fakultäten
hinweg. Zudem lag die Einrichtung neuer Lehrstühle in seiner Hand, wobei
er oft schon bei der Schaffung des Lehrstuhls den für ihn passenden Kandi-
daten ausgewählt hatte. Dieses ‚diktatorische‘ Vorgehen Thuns bei Berufun-
gen ist in der Forschung mehrfach und durchaus unterschiedlich beurteilt
worden.4 Thuns Personalpolitik wurde vor allem von Lentze und zuletzt
von Höflechner und Uray/Schübl5 als Mittel zur Durchsetzung der Reform
gesehen. Einerseits konnte damit eine grundsätzliche Erneuerung des Lehr-
körpers vollzogen, andererseits konnten die gerade zu Beginn der Amtszeit
noch stark von vormärzlich geprägten Professoren durchsetzten Professo-
renkollegien ausgeschaltet werden, die der Reform oftmals ablehnend gegen-
überstanden.6 Besonders Lentze hatte hervorgehoben, dass Thun eine neue
Generation von Professoren heranziehen wollte, die sowohl konservativ war
als auch wissenschaftlich auf hohem Niveau stand, um in den Universitäten
eine neue konservative Elite des Landes zu erziehen. Derselbe war es aber
auch, der schon in seinem Werk von 1962 angeregt hatte, Berufungen im
Einzelnen zu prüfen, um ein differenzierteres Urteil über die Personalpolitik
Thuns fällen zu können.7
Thun selbst hatte 1853 in einer vom Ministerium herausgegebenen Bro-
schüre zur Darstellung der Reform das Eingreifen des Ministeriums gerecht-
fertigt:
Gleichwohl darf die Einvernehmung des Lehrkörpers nicht als ausnahms-
lose Regel gelten, indem sich Fälle ereignen können, in denen ein zweck-
mäßiger Vorschlag nicht zu erwarten ist, oder der Drang der Verhältnisse
ihn abzuwarten nicht gestattet, oder wo die Regierung aus guten Gründen
4 Sehr negativ etwa domandL, Adalbert Stifters Lesebuch und die geistigen Strömungen der
Zeit; positiver dagegen Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Ho-
henstein, S. 114.
5 scHüBL et al., Auf der Suche nach geeigneten Kräften: Aktivitäten, Strategien und Krite-
rien in Berufungsverfahren, besonders S. 421–426.
6 Vgl. HöfLecHner, Nachholende Eigenentwicklung?, S. 101. Vgl. dazu auch die Sicht Thuns
in Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl darge-
stellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht, S. 58.
7 Siehe Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, S. 148.
Seither ist dies in Einzelfällen dezidiert geschehen, etwa von Gerhard oBerkofLer, August
Geyers Berufung nach Innsbruck (1860). Zur Grundlage des modernen Strafrechts an der
Innsbrucker Rechtsfakultät, in: Tiroler Heimat 35 (1971), S. 127–133 und besonders von
Adelheid zikuLnig, Restrukturierung, Regeneration und Reform: Die Prinzipien der Beset-
zungspolitik der Lehrkanzeln in der Ära des Ministers Leo Graf Thun-Hohenstein. phil.
Diss., Graz 2002. Zikulnig hat in ihrer Dissertation die Berufungen von Thun anhand der
Majestätsvorträge untersucht.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen