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5.8. DIE LEHRSTÜHLE FÜR ALLGEMEINE GESCHICHTE 229
Es ist nun das dritte Jahr, dass diese Vorträge unterbleiben. Ein großer Theil
der hiesigen Studierenden tritt von der Universität ins praktische Leben über,
ohne einen anderen Unterricht in der Geschichte gehört zu haben, als den
äußerst mangelhaften auf dem Gymnasium.296
Die Antragsteller betonten aber, dass gerade der Geschichtsunterricht es sei,
der wesentlich zur Ausbildung der rechten Gesinnung bei Studenten beitra-
ge.297 Zudem rücke die Nichtbesetzung der Kanzel das Fach und die ganze
Universität sowie ihre Professoren in ein schlechtes Licht.298 Außerdem hat-
ten die Professoren schon im Jahr zuvor die Befürchtung ausgesprochen,
dass die Rechtsstudenten, die ja auch verpflichtet waren, einige Kollegien
aus der Geschichte zu hören, ihre Prüfungen aufschieben müssten oder die
Universität wechseln würden.299
Die Fakultät hatte am 18. November 1851 in einem Promemoria das Un-
terrichtsministerium noch einmal auf die Dringlichkeit der Sache hingewie-
sen, nachdem ein weiterer Versuch gescheitert war, eine provisorische Lö-
sung zu finden. Die Fakultät hatte zuvor nämlich versucht, den gebürtigen
Innsbrucker und damals am Wiener Landgericht tätigen Juristen Vinzenz
von Erhart300 für die Supplierung zu gewinnen. Erhart hatte zwar offenbar
mündlich die Übernahme der Kanzel versichert, lehnte schließlich aber doch
ab, da er sich nicht befähigt fühlte, „diese Lehrkanzel auf eine das in ihn ge-
setzte Vertrauen befriedigende Weise versehen“ zu können.301 Die Fakultät
führte die Ablehnung Erharts auch darauf zurück, dass man ihm eine bloße
Supplierung der Kanzel angeboten hatte, und forderte damit mit Nachdruck
eine definitive Besetzung der Kanzel, weil „wohl auch schwerlich ein anderes
296 Sammelakt Nachfolge Albert Jäger, Innsbruck, Akten der Philosophischen Fakultät 16, 2/
PH ex 1851/52, Universitätsarchiv Innsbruck; vgl. dazu auch oBerkofLer, Die geschicht-
lichen Fächer an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck 1850–1945, S.
16–17.
297 Dieses Argument wird im Übrigen ganz ähnlich verwendet, als einige Jahre später
die Lehrkanzel der Philosophie nur provisorisch besetzt worden war. Vgl. Innsbruck
14.07.1858, Akten der Philosophischen Fakultät 16, 128 ex 1857/58, Universitätsarchiv
Innsbruck.
298 Vgl. Sammelakt – Nachfolge für Jäger, Innsbruck, Akten der Philosophischen Fakultät 16,
2/PH ex 1851/52, Universitätsarchiv Innsbruck.
299 Hauptbericht über den Zustand der phil. Fakultät (Konzept), Innsbruck 06.12.1850, Akten
der Philosophischen Fakultät 16, 41 ex 1850/51, Universitätsarchiv Innsbruck.
300 Zur Biografie Erharts Robert zimmermann, Vinzenz von Ehrhart. Nekrolog, Wien 1873.
Ehrhart war später auch unter Thun im Unterrichtsministerium tätig, Pichler nennt ihn
einen „Adlatus“ von Graf Thun, siehe PicHLer, Aus Tagebüchern, S. 27.
301 Ehrhart an den Oberstaatsanwalt des Landesgerichts in Wien, Wien 04.11.1851, Akten der
Statthalterei, Studien 9719 ad 8495/1851, Tiroler Landesarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen