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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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es die Philosophien Kants und Hegels („Monstrositäten“552), die unter den
Studenten die liberale Gesinnung ausgelöst hatten, die sich dann 1848 in der
Revolution entladen hatte und die – wie schon mehrfach angedeutet – als
‚Schreckensgespenst‘ während der 1850er-Jahre wirkten und das Handeln
nicht nur des Unterrichtsministers (mit)bestimmten.553 Aus diesem Grund
verfolgte Thun im Hinblick auf die Philosophie eine doppelte Strategie: Ei-
nerseits versuchte er die „falsche Philosophie“554 zu verdrängen, andererseits
wurde die Philosophie grundsätzlich marginalisiert, indem die philosophi-
sche Propädeutik auf die Gymnasien übertragen und die Philosophie dort
vor allem als Philosophiegeschichte gelehrt wurde.555 Die Zurückdrängung
‚falscher‘ philosophischer Strömungen sollte hauptsächlich durch eine ge-
zielte Personalpolitik erfolgen, was uns zu Georg Schenach und Tobias Wil-
dauer zurückführt.
Schenachs Lehre war ganz im Sinne von Thun, wenn jener in seinem
kurz vor dessen Berufung nach Wien erschienenen Hauptwerk Metaphysik:
Ein System des konkreten Monismus556 versuchte, „zwischen katholischem
Dogma und der Philosophie des Deutschen Idealismus zu vermitteln“557 und
damit Thuns Wunsch entsprach, „auch die katholische Glaubensphilosophie
an die Universität zu holen.“558 Thun hatte sich überdies beklagt, dass es
keine Philosophie gäbe, „welche die öffentliche Anerkennung der Wissen-
schaft und der Kirche zugleich genießt“559. Schenachs Werk bot hierzu die
Möglichkeit.
Peter Goller hat die Geisteswelt und die Lehre Schenachs ausführlich dar-
gestellt, weshalb an dieser Stelle nur wenige Worte genügen sollen.560 Inner-
halb der Gruppe der Innsbrucker Professoren, die noch aus dem Vormärz
552 Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl darge-
stellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht.
553 Vgl. dazu bei feicHtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt, S. 141.
554 Vgl. dazu Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl
dargestellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht, S. 76.
555 Vgl. dazu auch feicHtinger, Positivismus in der österreichischen Philosophie. Zur Kritik an
dieser Strategie vgl. auch Eitelberger an Thun, Wien 22.03.1855, Nachlass Leo Thun-Ho-
henstein, A3 XXI D335, Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Boden-
bach.
556 Georg scHenacH, Metaphysik: Ein System des konkreten Monismus, Innsbruck 1856.
557 goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität
Innsbruck, S. 26.
558 Ebenda, S. 29.
559 Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl darge-
stellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht, S. 129.
560 Siehe goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Uni-
versität Innsbruck, S. 23–29.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen