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5.13. DIE BERUFUNG VON TOBIAS WILDAUER 283
sandt. Die beiden – das schreibt auch Ficker selbst – hatten sich darüber
verständigt und die Briefe weisen auch starke Ähnlichkeiten in der Argu-
mentation auf, wenngleich der Brief von Ficker persönlicher gehalten ist
und er sich unverblümt über die Probleme der Universität ausspricht. Dies
verdeutlicht das Vertrauensverhältnis von Ficker und Thun. In seiner Ar-
gumentation benutzt er diese Probleme, um die Forderung nach einer An-
stellung von Wildauer zu untermauern, viel mehr noch, Ficker verbindet
die Ernennung von Wildauer sinnbildlich mit der Zukunft der Innsbrucker
Universität. Die Wahl von Wildauer, wenn möglich nicht nur als Supplen-
ten, sondern als Lehrstuhlinhaber, wird gleichzeitig zu einem offiziellen Be-
kenntnis zur Zukunft der Universität erklärt.
Ficker spielt dabei auf das hartnäckig sich haltende Gerücht an, dass die
Innsbrucker Universität zugunsten einer neu zu errichtenden Universität in
Salzburg aufgelassen werden sollte. Dieses Gerücht kursierte bereits 1848
und war im Jahr 1856 erneut aufgetaucht, nachdem man auf der General-
versammlung der katholischen Vereine in Linz die Idee der Gründung einer
katholischen Universität erneut diskutiert hatte.598 Als Standorte waren da-
mals Innsbruck aber insbesondere Salzburg, als Sitz des Primas Germaniae,
im Gespräch. Im folgenden Jahr tagte diese Versammlung erneut in Öster-
reich, diesmal ebengerade in Salzburg, und dort wurde die Hoffnung auf eine
baldige Verwirklichung einer solchen Universität abermals bekräftigt.599
Thun hatte zwar Ficker schon 1856 versichert, dass er nicht im geringsten
daran denke, die Innsbrucker Universität aufzulassen600, aber die Hartnä-
ckigkeit des Gerüchts sowie die dauernde Vernachlässigung der Innsbrucker
Universität hatten Ficker wohl an der Versicherung des Ministers zweifeln
lassen, wie der Brief es zeigt. Daher forderte er von Thun, diesem Gerücht
nun auch durch Taten entschieden entgegenzutreten, und als eine solche Tat
sah er die Ernennung von Wildauer.
Zum Verständnis des Verhältnisses von Ficker und Thun ist zudem das
Ende des Briefes von großem Interesse. Dort mahnte Ficker den Minister,
sein mehrmaliges Versprechen, er wolle die Innsbrucker Universität beson-
ders fördern, einzulösen.601 Diesen Hinweis verstärkte Ficker noch, indem
er den Grafen daran erinnerte, dass er mehrmals, auch prestigeträchtige
598 Siehe dazu besonders das Kapitel 6.2.
599 Vgl. dazu besonders bei Brandt, Eine katholische Universität in Deutschland?, S. 158–159.
600 Thun an Ficker, Wien 22.09.1856, Nachlass Ficker, Institut für Österreichische Geschichts-
forschung.
601 Siehe etwa Thun an Ficker, Wien 09.05.1854, Nachlass Ficker, Institut für Österreichi-
sche Geschichtsforschung; Thun an Ficker, Wien 09.10.1854, Teilnachlass Julius Ficker,
Forschungsinstitut Brenner-Archiv; Thun an Ficker, Wien 22.09.1856, Nachlass Ficker,
Institut für Österreichische Geschichtsforschung.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen