Page - 286 - in Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860 - Aufbruch in eine neue Zeit
Image of the Page - 286 -
Text of the Page - 286 -
5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
286
den Worte in verschiedenen Zeitungen erwiesen sei.608 Ausdrücklich betonte
die Statthalterei, dass Wildauers Protagoras609 durch das MCU als offizielles
Schulbuch anerkannt worden war und daher auch von höchster Seite des-
sen wissenschaftliche Befähigung anerkannt wurde. Aus heutiger Sicht ist
dieses Argument allerdings wenig stichhaltig. Denn, wenngleich dieser pla-
tonische Dialog ein wichtiger Text der antiken Philosophie ist, so war dieses
Buch doch vornehmlich ein Textbuch für den Unterricht in der Griechischen
Sprache und konnte daher vom MCU nicht ernsthaft als Ersatz für die feh-
lende Habilitation angesehen worden sein.
Weit wichtiger war für Thun daher wohl ein anderes „empfehlendes Zeug-
nis“ von Wildauers Befähigung, jenes seiner privaten Informanten in Inns-
bruck. Moy hatte schon im Jänner 1858 privat an Thun geschrieben und in
diesem Brief unter anderem die Lehrtätigkeit Wildauers gelobt. Bedeuten-
der in der Wirkung war aber wohl ein Brief, den Julius Ficker am 15. Juni
1858 an Thun geschickt hatte. Ficker und Thun standen damals in einer
anderen Personalfrage in Kontakt, und Ficker schloss einem seiner Briefe
an den Minister eine umfangreiche Äußerung zu Tobias Wildauer an.610 Der
konkrete Anlass dazu war das Erscheinen einer Rezension611 von Wildauers
Protagoras in der Zeitschrift für die Österreichischen Gymnasien im Früh-
jahr 1858. Der Rezensent Alfred Ludwig612 verriss darin Wildauers Werk
und unterstellte diesem letztlich sogar, dass sein Buch in weiten Teilen dem
Werk613 von Eduard Jahn614 folge, ohne dass dies ausgewiesen und Wildau-
ers Buch somit teilweise ein Plagiat sei:
608 Siehe Statthalterei an MCU (Konzept), Innsbruck 07.1858, Statthalterei Studien 14148/
1858, Tiroler Landesarchiv. Ausfindig gemacht werden konnte etwa Bothe für Tirol und
Vorarlberg, 72 (31.03.1858), S. 311, dort wird über einen Bericht im Journal Deutschland
berichtet, in dem Wildauers Lehre besonders lobend hervorgehoben wird. Man liest dort:
„wird die Philosophie auf solche [Wildauers, C.A.] Weise gelehrt, so wird nicht bloß den ma-
terialistischen, irreligiösen und revolutionären Ansichten der Boden weggerissen, sondern
auch etwas Positives für die Ausbildung der Studierenden geleistet.“
609 Tobias wiLdauer, Platon’s Protagoras. Mit Einleitung und Anmerkungen zum Schul- und
Privatgebrauch, Innsbruck 1857.
610 Ficker an Thun, Innsbruck 15.06.1858, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D453,
Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
611 Alfred Ludwig, Platon’s Protagoras. Mit Einleitung und Anmerkungen zum Schul- und Pri-
vatgebrauch von Tobias Wildauer. Innsbruck 1857, in: Zeitschrift für die Österreichischen
Gymnasien (1858), S. 481–488.
612 Alfred Ludwig (Wien 1832–1912 Prag), Indologe und Sprachwissenschaftler, ab 1860 Prof.
der klass. Philologie und vergleichenden Sprachkunde an der Universität Prag, Schüler
von Hermann Bonitz.
613 Eduard JaHn, Platon’s Protagoras. Mit Einleitungen und Anmerkungen, Wien 1857.
614 Eduard Jahn, Schulbuchautor und Lehrer am Gymnasium in der Kleinseite in Prag.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen