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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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der Sicht von Peter Goller vor allem am Dichter Oskar Redwitz625 im Sinne
von belehrenden und idyllisierenden Heimaterzählungen auf fest katholi-
schem Boden.626
Politisch galt Wildauer als konservativ, ohne aber öffentlich damit in Er-
scheinung zu treten. Allerdings entwickelte er nach seiner Berufung zum
Professor ein starkes politisches Engagement, das ihn 1873 bis in den Reichs-
rat führte. Dabei wandte er sich – entsprechend dem allgemeinen Trend
durch das Februarpatent 1861 – der liberalen Partei zu.627 Das verstärkte po-
litische Interesse führte allerdings dazu, dass er für seine wissenschaftliche
Laufbahn nur noch wenig Zeit aufbrachte. Goller charakterisiert Wildauer
daher – seinen politischen Gesinnungswandel als auch seine politischen Am-
bitionen im Auge habend – als „Halbzeitphilosoph“ und politischen Oppor-
tunisten. Ein Ereignis, das in die Zeit eben jenes politischen Wandels fällt,
verdeutlicht Wildauers Haltung besonders: nämlich seine Rede bei der Schil-
lerfeier, anlässlich des hundertsten Geburtstags des Dichters, 1859 in Inns-
bruck.628 Die akademische Rede wurde dabei zum politischen Manifest, in
dem Wildauers großdeutsches Denken sich voll entfaltete und er die deutsche
Kultur und Wissenschaft als Wegbereiterin einer deutschen Einigung pries.
In der Folge engagierte sich Wildauer dann vor allem als Vertreter ei-
ner liberal-konstitutionellen Richtung, die sich jedoch stets mit loyaler Hal-
tung gegenüber dem Kaiserhaus bewegte.629 Er trat dabei, wenngleich nicht
625 Oskar Redwitz war auch von Thun nach Österreich berufen worden, unter anderem des-
halb, um „jungen Philologen, deren spätere Bestimmung es ist, als Lehrer der Jugend an
öffentlichen Anstalten zu wirken, die ächten und im Christenthum einzig mögliche Auf-
fassung des Heidenthums und seiner Werke zu lehren“. Majestätsvortrag (Konzept), Wien
11.01.1852, MCU Präs., 18 ex 1852, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwal-
tungsarchiv. Adolf Pichler drückt sich salopper aus, wenn er schreibt, dass man sich von
Redwitz, „damals in Wien die Umkehr der Wissenschaft erwartete.“ PicHLer, Aus Tagebü-
chern.
626 Vgl. goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Univer-
sität Innsbruck, S. 38.
627 Vgl. dazu auch die Einschätzung von götz, Bürgertum und Liberalismus in Tirol 1840–
1873, S. 452.
628 Im Druck: Tobias wiLdauer, Festrede zu Schillers hundertjährigem Geburtstag bei der k.k.
Universität zu Innsbruck veranstalteten Feier in der Aula am 10. November 1859, Inns-
bruck 1859.
629 Vgl. dazu vor allem auch götz, Bürgertum und Liberalismus in Tirol 1840–1873, S. 422–
425; goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Univer-
sität Innsbruck, S. 41; Martin E. urmann, Isolierte Aufklärung, marginaler Liberalismus?
Überlegungen zur intellektuell-ideologischen Geschichte der Universität Innsbruck im
‚langen‘ 19. Jahrhundert, in: Klaus Müller-Salget/Sigurd Paul Scheichl/Werner M. Bauer
(Hgg.), Nachklänge der Aufklärung im 19. und 20. Jahrhundert. Für Werner M. Bauer zum
65. Geburtstag, Innsbruck 12008, S. 151–164, S. 164.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen