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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 295
wichtige Stellung gegenüber den übrigen Fakultäten und den Forderungen
der Wissenschaften würdig zu behaupten und durch ihre innere Trefflichkeit
die Ungunst mancher äußerer Verhältnisse zu überwinden.643
Helfert war zugleich mit einem möglichen Kandidaten zur Hand, einem
„Landeseingeborenen“ wie er schrieb, dessen Eignung die Universität prü-
fen und anschließend an das Ministerium mitteilen sollte. Dieser Kandidat
war ein gewisser Konrad Halder, der in den 1840er-Jahren die Söhne des
bayerischen Königs in München unterrichtet hatte, seit 1848 aber ohne feste
Anstellung war.644
Das Rektorat hatte daraufhin aber offenbar nichts unternommen. Im
folgenden Frühjahr trat das Ministerium daher neuerlich an die Universi-
tät heran und forderte die philosophische Fakultät auf, einen Kandidaten
für den Lehrstuhl der deutschen Sprache und Literatur zu benennen. Erst
zu diesem Zeitpunkt, ein halbes Jahr nach dem Auftrag Helferts, hatte
sich Dekan Böhm über Konrad Halder bei Friedrich Thiersch645 und dem
in München weilenden Kollegen Phillips erkundigt.646 Die Fakultät wartete
allerdings die möglichen Antworten der Herren gar nicht erst ab, sondern
glaubte nach internen Beratungen, das Ministerium auf den Gymnasialleh-
rer und vormaligen Supplenten an der Universität Adolf Pichler aufmerk-
sam machen zu dürfen: Pichler, so Böhm im Namen der Fakultät, habe
durch seine Supplierung am Innsbrucker Gymnasium sowohl sein Talent
als auch seine Kenntnisse unter Beweis gestellt. Außerdem habe er mehrere
wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, von denen besonders jene über
das Drama im Mittelalter in Tirol647, das auch in die Veröffentlichungen der
kaiserlichen Akademie aufgenommen worden war, besonders hervorzuhe-
ben sei. Dem Kollegium war allerdings offenbar bewusst, dass der Kandi-
dat Pichler nicht unumstritten war, denn jener war während der Revolution
643 10991/78. Helfert an das Professorenkollegium der philosophischen Fakultät, Wien
21.12.1850, Akten der Philosophischen Fakultät, PH 16, 48 ex 1850/51, Universitätsarchiv
Innsbruck.
644 Konrad Halder (Langen 1813–1872), Sprachforscher und Pädagoge, ab 1858 Schulrat in
Ungarn, ab 1862 in Tirol. Laut einem Brief von Matthias Koch an Feil war Halder ein
Bekannter und Anhänger von Ludwig Steub, was ihn wohl weniger als Professor für Inns-
bruck empfohlen hatte. Vgl. Koch an Feil, Frankfurt 17.03.1856, 129.658, Wienbibliothek,
Handschriftenabteilung.
645 Friedrich Wilhelm Thiersch (Kirchscheidungen 1784–1860 München), ab 1809 Prof. am
Wilhelmsgymnasium München, 1812 Gründung des Philologischen Instituts der Bayeri-
schen Akademie der Wissenschaften, ab 1826 Prof. an der Universität München.
646 Böhm an Thiersch, Spengel und Phillips (Konzept), Innsbruck 07.06.1851, Akten der Philo-
sophischen Fakultät, 16, ad 48 ex 1850/51, Universitätsarchiv Innsbruck.
647 Adolf PicHLer, Ueber das Drama des Mittelalters in Tirol, Innsbruck 1850.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen