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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 301
fen, und bat um die Zustimmung des Ministeriums.671 Der Finanzminister
gab schon wenige Tage später dem Wunsch Thuns statt und machte damit
den Weg für einen Antrag an den Kaiser frei.672 Daraufhin verfasste man im
Unterrichtsministerium noch im Dezember ein Konzept für einen allerun-
tertänigsten Vortrag, den Thun allerdings erst im Mai des folgenden Jahres
dem Kaiser unterbreitete.673 In dem Antrag betonte Thun die Notwendigkeit
eines Lehrstuhls für deutsche Sprache, da Innsbruck die einzige Universität
des Reiches sei, an der keine derartige Kanzel bestand. Der Minister recht-
fertigte den Antrag auch damit, dass die Errichtung einer solchen Lehrkan-
zel geradezu die notwendige Folge einer früheren Entscheidung des Kaisers
sei. Denn der Kaiser hatte in seiner allerhöchsten Entschließung vom 17.
April 1856 festgeschrieben, dass die Prüfung der Gymnasiallehrer auch „die
grammatisch genaue Kenntnis des Mittelhochdeutschen, und namentlich
die Fähigkeit, mittelalterliche Dichtungen, wie das Nibelungenlied, Gudrun
und so weiter, in der Ursprache mit gründlichem Verständnisse zu lesen,
zu umfassen“674 habe. Thun wandte nun aber ein, dass man dies nur verlan-
gen könne, wenn die Kandidaten Unterricht darin erhalten hätten. Als ei-
nen weiteren Grund nannte Thun den positiven Effekt auf die südtirolischen
(also italienischsprachigen) Studenten, die in großer Zahl an der Innsbru-
cker Universität studierten. An Zingerle selbst lobte Thun vor allem dessen
umfassende Kenntnisse im Fach und sein bisheriges erfolgreiches Wirken
am Innsbrucker Gymnasium und als interimistischer Bibliotheksvorstand.
Der Kaiser ließ sich von Thuns Argumenten indes nicht überzeugen und
stellte den Antrag vorerst zurück, da er zunächst wissen wollte, ob ein Be-
darf für eine solche Kanzel vorhanden sei.675 Schon der Finanzminister
hatte im Dezember bei seiner Zustimmung zu Thuns Vorhaben denselben
Einwand erhoben, sodass es als möglich erscheint, dass der Kaiser auch auf
Anraten seines Finanzministers den Antrag zunächst zurückstellen ließ.
schen Gymnasium in Innsbruck, 1858 Leiter der Universitätsbibliothek Innsbruck, 1859–
1890 Prof. für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Innsbruck.
671 Thun an Finanzministerium, Wien 17.11.1857, MCU Allg., Sig. 5, Fasz. 1023 (Karton
1083), Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv.
672 Bruck an Thun, Wien 27.11.1857, MCU Allg., Sig. 5, Fasz. 1023 (Karton 1083), Österreichi-
sches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv.
673 Majestätsvortrag, 25.05.1858, MCU Allg., Sig. 5, Fasz. 1018, Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv.
674 Ebenda.
675 Ebenda. Die Ablehnung erfolgte am 8. August 1858. Im Übrigen ist dies auch einer der
wenigen mir bekannten Majestätsvorträge in Personalfragen, die der Kaiser nicht (sofort)
bewilligt hatte.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen