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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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Die konkrete Initiative zur Errichtung des Lehrstuhls – abgesehen von
den mehrfach vorgetragenen allgemeinen Wünschen zum Ausbau der Uni-
versität – ging also auch in diesem Fall vom Ministerium selbst aus, die Uni-
versität scheint weder einbezogen worden zu sein, noch von dem Vorstoß von
Thun Kenntnis besessen zu haben. Denn noch am 1. Jänner 1859 schlug Ju-
lius Ficker als amtierender Rektor in einem Antrag an die Statthalterei vor,
Zingerle zum definitiven Leiter der Bibliothek zu ernennen.676 Es erscheint
wenig plausibel, dass Ficker die Ernennung von Zingerle zum Bibliothekar
vorgeschlagen hätte, hätte er vom Ansinnen Thuns gewusst, einen neuen
Lehrstuhl einrichten zu wollen und eben Zingerle auf diesen zu befördern.
Dies ist umso wahrscheinlich, weil gerade Ficker in diesen Jahren einer der
vehementesten Verfechter des Ausbaus der Universität gewesen war.
Zingerle war seit September 1857 provisorischer Leiter der Universitäts-
bibliothek gewesen677 und wurde damals in den höchsten Tönen als vielsei-
tig gebildet und intensiv wissenschaftlich tätig gepriesen.678 Zingerle musste
Thun allerdings bereits seit dem Jahr 1853 bekannt sein, denn damals hatte
Ernst von Moy sich nämlich in einem Brief an Thun erfreut über die Pläne
des Ministers für Zingerle geäußert, „zumal“, wie Moy schreibt, „ich dem wa-
ckeren, aber allzugemütlichen und phantasiereichen jungen Manne nichts
Besseres wünschen kann, als dass er aus der Nähe des Herrn Adolph Pichler
wegkomme.“679 Dies könnte freilich ein Hinweis darauf sein, dass die Errich-
tung einer Lehrkanzel für deutsche Sprache zwischenzeitlich dennoch im
Gespräch war, allein es gibt sonst keine weiteren Hinweise darauf, zudem
ist es durchaus möglich, dass Zingerle auch für eine andere Universität in
Betracht gezogen worden war – und damit dem Umfeld von Pichler entzogen
worden wäre.
Zingerle war zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1853, wie Pichler Lehrer am
akademischen Gymnasium in Innsbruck und hatte sich durch seine Sa-
gen- und Märchensammlung aus Tirol680 in der jungen germanistischen
Forschung breite Anerkennung verschafft, wie sein Briefverkehr mit den
676 Ficker an Statthalterei, Innsbruck 01.01.1859, Statthalterei Studien 660/1859 (einsortiert
unter 4726/1858), Tiroler Landesarchiv.
677 15716/899. Helfert an Karl Ludwig, Wien 22.09.1857, Statthalterei, Präsidium, 2718 ad
1129/1857, Tiroler Landesarchiv.
678 Vgl. Siebinger an Präsidium, Innsbruck 10.06.1857, Statthalterei, Präsidium 1624 ad
1129/1857, Tiroler Landesarchiv.
679 Moy an Thun, Innsbruck 21.07.1853, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D219, Staat-
liches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
680 Ignaz Vinzenz zingerLe, Sagen aus Tirol, Innsbruck 1850.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen