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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 309
lokalen Raum verhaftet, zugleich versuchte er jedoch durch die Anbindung
seiner Forschung und die Verortung der Tiroler Literatur im Gesamtkontext
der deutschen Nationalliteratur eine Brücke nach außen zu schlagen.715
5.14.4. Fazit
Die Berufung von Zingerle und die Errichtung des ersten Lehrstuhls für
deutsche Sprache und Literatur wurde in der Vergangenheit – insbesondere
anlässlich des Jubiläums von Zingerles Todestag und der Gründung des
Instituts 1992 und 2009 – besonders als Konkurrenzkampf zwischen Adolf
Pichler und Ignaz Zingerle gedeutet: Hier der klerikale Zingerle, dort der
liberale Pichler716. Allerdings sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass
es, obschon diese Gegenüberstellung durchaus berechtigt erscheint, keine di-
rekte Wahl zwischen Zingerle oder Pichler gegeben hat. Das Gegensatzpaar
Pichler und Zingerle, liberal und katholisch, kondensiert aber exemplarisch
die Personalpolitik Thuns im konkreten Beispiel. Darüber darf jedoch nicht
vergessen werden, dass diese Sicht verkürzt ist und man Zingerle auch Karl
Thaler gegenüberstellen könnte: Beide wollten sich am Ende des Jahrzehnts
in Innsbruck habilitieren und beide lassen sich in ihrer politischen und re-
ligiösen Einstellung auf ähnlich entgegengesetzten Positionen verorten wie
Pichler und Zingerle.
Letztlich fiel die Wahl auf Zingerle, was im Kontext der übrigen Perso-
nalentscheidungen Thuns den Schluss berechtigt erscheinen lässt, dass die
Wahl deshalb auf ihn fiel, weil er erstens konservativ und, wie sein Theolo-
giestudium und seine kurze Zeit im Kloster bezeugten, religiös war. Zwei-
tens war er bestens in seinem Fach vernetzt und für seine Forschungen
mehrfach und öffentlich gelobt worden.
715 Vgl. zu seinem Werk vor allem wagner, Ignaz Vinzenz Zingerle, prägnanter bei scHeicHL,
150 Jahre Germanistik in Innsbruck, S. 41–43. Zu Walter von der Vogelweide und Zingerle
siehe Achim masser, Walther von der Vogelweide und die Innsbrucker Germanistik seit
Ignaz Vinzenz Zingerle, in: Sieglinde Klettenhammer (Hg.), Kulturraum Tirol. Literatur –
Sprache – Medien. Jubiläumsband „150 Jahre Germanistik in Innsbruck“, Innsbruck 2009,
S. 27–53.
716 Zur politischen Verortung Pichlers als Liberalen muss gesagt, werden, dass er 1848 An-
hänger der liberal-konstitutionellen Partei war, im Laufe der Jahre aber mehr von der
Position der Liberalen abrückte, weil er deren Anhänglichkeit an das Herrscherhaus ver-
abscheute. Konstant blieb jedoch Pichlers deutschnationale Gesinnung. Vgl. dazu auch
bei Johann HoLzner/Gerhard oBerkofLer, Ausbruch aus der Provinz. Adolf Pichler – Alois
Brandl Briefwechsel (1876–1900) (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Ger-
manistische Reihe 16), Innsbruck 1983; goLLer et al., Mineralogie und Geologie an der
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (1867–1945), S. 13–14.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen