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5.15. DIE LEHRKANZELN FÜR ZIVILRECHT 315
ges Befremden erfahren haben, daß Dr. Pfaundler – der Pfaundler des Jahres
48, der verunglückte Justizbeamte und Advocat, zum Professor des allg.-bür-
gerl. Gesetzbuches ernannt worden sey. Das ist geschehen, nachdem Graf
Thun mir in Interlaken im vorigen August versprochen hatte, nur Männer
von [unleserlich, C.A.] und meiner Gesinnung in unser Professorencollegium
zu ernennen.742
Moy bat Fessler aber nicht nur gegen die Ernennung von Pfaundler zu pro-
testieren, gleichzeitig bat Moy den Kirchenhistoriker auch, er möge sich für
eine Ernennung des jungen Privatdozenten Josef Oberweis743 zum Professor
stark machen: Dieser warte nämlich schon lange vergebens auf die in Aussicht
gestellte Ernennung auf einen Lehrstuhl. Moy glaubte zudem, dass Oberweis
– anders als Pfaundler – eine ähnliche Richtung wie Joseph Unger in Wien
einschlagen werde: nämlich das Privatrecht in seiner historischen Entwick-
lung darzustellen und damit auch im Bereich des Privatrechts eine rechtsge-
schichtliche Perspektive einzunehmen.744 Die Ernennung von Oberweis sollte
aus Sicht von Moy daher ein Gegengewicht zum „Mißgeist“745 bilden, der mit
der Berufung von Pfaundler in die Universität getragen worden war.
5.15.3. Josef Oberweis
Josef Oberweis hatte ebenfalls in Innsbruck studiert und dort 1851 sein
Doktorat der Rechte erworben. Im April 1855 hatte er sich mit einer Ar-
beit Über die Hauptgrundsätze des römischen und germanischen Erbrechtes
mit Berücksichtigung der Tiroler Landesordnung für die Habilitation bewor-
ben. Allerdings stieß er dabei auf erheblichen Widerstand von Seiten eini-
ger Professoren.746 Cajetan Prockner als schärfster Kritiker griff dabei be-
742 Moy an Fessler, Innsbruck 30.01.1858, Nachlass Fessler 5, Diözesanarchiv St. Pölten.
743 Josef Oberweis (Innsbruck 1826–1870 Innsbruck), 1855 Habilitation für deutsches Privat-
recht an der Universität Innsbruck, ab 1858 Prof. des deutschen Privatrechts dort, ab 1869
Prof. der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte.
744 Vgl. Moy an Fessler, Innsbruck 30.01.1858, Nachlass Fessler 5, Diözesanarchiv St. Pölten.
Zu Unger und dessen Werk siehe Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo
Thun-Hohenstein, S. 138–142.
745 Moy an Fessler, Innsbruck 30.01.1858, Nachlass Fessler 5, Diözesanarchiv St. Pölten.
746 Der Vorgang und die Schwierigkeiten sind beschrieben bei Gerhard oBerkofLer, Josef
Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für Deutsches Privatrecht und Deutsche Reichs- und
Rechtsgeschichte mit italienischem Vortrag. Ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des
Deutschen Rechts und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, in:
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 88 (1971),
S. 204–210, hier S. 205–207. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf diese Quelle.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen