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5.15. DIE LEHRKANZELN FÜR ZIVILRECHT 317
Privatrecht mit Berücksichtigung des dermaligen österreichischen Zivilrechts
und der früheren, insbesondere tirolischen Partikularrechte. Wie Gerhard
Oberkofler betont, hatte Oberweis damit den Wünschen des Ministeriums, die
historische Methode in allen Bereichen des Rechts zur Geltung zu bringen,
vollkommen entsprochen. Die Habilitation von Oberweis erfolgte zudem zu
einem günstigen Zeitpunkt, denn das deutsche Privatrecht war erst mit dem
neuen juridischen Studienplan in das Curriculum aufgenommen worden.750
Oberweis nahm schon im Sommersemester 1856 seine Lehrtätigkeit auf,
blieb zunächst aber noch im Dienst der Staatsanwaltschaft. Nach drei Se-
mestern als Privatdozent beantragte Oberweis schließlich mit Unterstüt-
zung der Fakultät die Verleihung eines Extraordinariates, um sich vollkom-
men der Wissenschaft widmen zu können. Moy als Dekan empfahl Oberweis
wärmstens und betonte mehrfach dessen Fleiß und edle Gesinnung. Wie wir
bereits aus dem genannten Brief von Moy an Fessler wissen, verzögerte sich
die Ernennung allerdings. Moy hatte daher in demselben Brief, in dem er
bei Thun gegen die Ernennung von Pfaundler protestiert hatte, auch noch
einmal auf privatem Wege darum gebeten, den Antrag von Oberweis voran-
zutreiben. Der Baron verbürgte sich darin nochmals für Oberweis und be-
scheinigte ihm neuerlich tadellose moralische Haltung sowie regen Eifer für
die Wissenschaft.751
Fast gleichzeitig hatte Moy auch an Fessler in Wien geschrieben, von dem
man in Innsbruck annahm, dass er Einfluss auf Thun habe. Wie erwähnt,
stellte Moy die Berufung von Oberweis als eine Möglichkeit zur Kompensa-
tion für die Ernennung von Pfaundler dar. Denn Oberweis würde das bür-
gerliche Gesetzbuch wie Joseph Unger in Wien in seiner historischen Ent-
wicklung in Verbindung mit dem deutschen Recht lehren. Er schlug daher
vor, dass Fessler Thun dahingehend raten solle, Oberweis als zweiten Pro-
fessor für österreichisches Zivilrecht zu ernennen und ihm gleichzeitig die
Kanzel für das deutsche Recht zu übertragen. Moy glaubte auch, dass man
im Ministerialrat Eduard Tomaschek752 einen Verbündeten für diese Ansicht
finden könne, Helfert hingegen sei „der Protector des Pfaundler; vor dem
also wäre sich zu hüten“753.
750 Vgl. oBerkofLer, Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für Deutsches Privatrecht und
Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit italienischem Vortrag, S. 208.
751 Siehe Moy an Thun, Innsbruck 28.01.1858, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D445,
Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
752 Eduard Tomaschek war seit 1849 im Unterrichtsministerium und ein enger Vertrauter von
Thun. Vgl. Tomaschek, Eduard, in: Constant von Wurzbach (Hg.), Biographisches Lexikon
des Kaiserthums Österreich, Bd. 46, Wien 1882, S. 39–45.
753 Moy an Fessler, Innsbruck 30.01.1858, Nachlass Fessler 5, Diözesanarchiv St. Pölten.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen