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6.3. DER ÖSTERREICHISCHE EPISKOPAT UND DER VATIKAN 349
denen Lehrfreiheit in Preußen abzugrenzen, welche aus seiner Sicht die
Grundfeste von Staat und Kirche ohne Weiteres in Frage stellen konnte.69
Thun folgte damit einem Ratschlag von Karl Ernst Jarcke kurz vor seinem
Amtsantritt im Sommer 1849, wenn jener schrieb: „nicht durch Unterdrü-
ckung und Sperrung der wissenschaftlichen Freiheit, sondern durch Hebung
der andern, in den Hintergrund gedrängten Tendenzen“70 müsse ein Auf-
schwung der Wissenschaften in Österreich erzielt werden. Eingeschränkt
sollte die Freiheit der Lehre nur dort werden, wo sich der „bewusste und
böswillige Kampf gegen die Fundamente von Staat und Kirche mit directen
Aufreizungen und Verführungskünsten an die Leidenschaften der Jugend
wenden wollte“71.
Obschon die Bischöfe mit ihren Maximalforderungen also nicht durch-
gedrungen waren, begrüßte man im Vatikan die gewährten Freiheiten für
die Kirche Österreichs und die neue Haltung des Staates. Der Wiener Nun-
tius Michele Viale-Prelà lobte nach dem Erlass der Aprilverordnungen die
österreichische Regierung ausdrücklich und pries sie als kirchlich gesinnt
(„governo che è, e si gloria di essere, cattolico“72). Dabei hatte der Nuntius
zunächst noch Sorge gehabt, ob der nur wenige Monate zuvor ernannte Mi-
nister für Kultus und Unterricht, Leo Thun, überhaupt auf der Seite der Kir-
che stünde. Mehrfach äußert sich diese Sorge in seinen Nuntiaturberichten,
wenn er etwa noch im Jänner 1850 über Thun schrieb:
cioè esser lui [Thun, C.A.] uomo di buone intenzioni, di molta moralità, ma
d’idee non lucide, e forse non sane in fatto di religione, essendo che fine alla
sua giovinezza egli è stato sempre a contatto con individui infetti di Bolzan-
ismo. Sotto il rapporto dei talenti credo sia il meno distinto tra tutti i Ministri
nichts gelehrt werden, was sich „der Kontrolle der ewigen Wahrheit, wie sie die chritliche
Offenbarung lehrt“ entziehe. Ebenda, S. 27.
69 Vgl. dazu Leo tHun-HoHenstein, Konzept für einen Zeitungsartikel. Thun verteidigt die
Berufung von Joseph Unger. Er kritisiert gleichzeitig die Augsburger Postzeitung, dass sie
die Reform in Österreich ständig kritisiere. Thun schildert Ungers Werdegang und erklärt
dessen politische und wissenschaftliche Wandlung vom Hegelianer und Revolutionär zum
Konservativen. Außerdem betont er sein Programm der Erneuerung der Rechtswissen-
schaften und die Abgrenzung von einem protestantischen Modell einer absoluten Lehrfrei-
heit an den Universitäten. Wiener Zeitung. Abendblatt 209 (14.09.1853), S. 836.
70 Memorandum Jarckes über die Aufgaben eines Unterrichtsministers in Österreich, Mün-
chen 5.8.1849, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI C133, Staatliches Gebietsarchiv
Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
71 Ebenda.
72 Nuntiaturbericht, Wien 21.04.1850, Arch. Nunz. Vienna, Vol. 322 (III), Nr. 333, Vatikani-
sches Geheimarchiv. „Eine Regierung die sich rühmt katholisch zu sein und es auch ist“
[Übersetzung C.A.].
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen