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6.4. DIE KONKORDATSVERHANDLUNGEN 355
Die Forderung nach der Gründung einer katholischen Universität wurde
dann abermals im Jahr 1856 im Rahmen der Bischofsversammlung behan-
delt. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte der Episkopat den Wunsch zu ei-
ner solchen Gründung beim Ministerium deponiert und dies besonders da-
mit gerechtfertigt, dass die Aufklärung des 18. Jahrhunderts und die damit
verbundenen antireligiösen Strömungen innerhalb der Wissenschaften die
katholische Lehre unterminiert hätten. Gleichzeitig betonten die Bischöfe,
dass diese antireligiöse Stimmung auch den Staat gefährden werde und da-
her katholisch geprägte Universitäten sowohl ein Schutz für den Glauben
als auch für Staat sein könnten. In der Vorstellung der Bischöfe würde Ös-
terreich damit auch weit über die eigenen Grenzen hinaus positiven Ein-
fluss erlangen.98 Gerade diese letzte Aussicht spiegelt auch die allgemeine
Hochstimmung in katholischen Kreisen wider, die nach dem Abschluss des
Konkordats herrschte und die beinahe den Eintritt in ein neues Zeitalter
beschwor, in dem die katholische Kirche und „Österreich als katholische
Großmacht“99 ein Bollwerk gegen Liberalismus und Protestantismus bil-
den sollten.100
Auf der Versammlung selbst wurde das Thema der katholischen Univer-
sität dann gar nicht oder nur am Rand diskutiert. Für die Bischöfe stan-
den dort andere Themen – etwa die geistliche Gerichtsbarkeit, die Reform
der Ehegesetze und die Verwaltung der Kirchenfonds – im Vordergrund.101
In Fragen des Unterrichts wiederum hatten der Elementarunterricht und
der Unterricht an den Gymnasien Vorrang.102 Bei zahlreichen Laien hatte
die kurze Passage in den Erläuterungen zum Konkordat allerdings große
Hoffnung geweckt, wie die geschilderten Reaktionen auf dem Katholiken-
tag 1856 zeigten. Ähnlich positiv äußerten sich die Katholischen Blätter aus
Tirol: obschon zwar zunächst bedauert wurde, dass die Universitäten nicht
re-katholisiert worden waren, begrüßte der Redakteur Martin Huber, dass
den Bischöfen in Aussicht gestellt worden war, eine eigene katholische Uni-
versität zu gründen, was er als eine „höchst bedeutungsvolle, tröstliche Con-
98 Vgl. Protokoll der Bischofsversammlung April 1856, Wien 16.06.1856, Arch. Nunz. Vienna,
Vol. 340, f. 84–111, Vatikanisches Geheimarchiv.
99 mayer, Österreich als „katholische Großmacht“.
100 Vgl. auch Matthias rettenwander, Nachwirkungen des Josephinismus, in: Helmut Rei-
nalter (Hg.), Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, Wien, Köln, Weimar 2008, S.
317–425, 401–402, der allerdings stark auf mayer, Österreich als „katholische Großmacht“
aufbaut und diesem über Absätze teils wörtlich folgt.
101 Vgl. bei LeiscHing, Die Bischofskonferenz, S. 214–215 und S. 222–223.
102 Vgl. dazu die Eingaben der Bischöfe an das MCU, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI
D383, Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen