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7.2. SPRACHEN UND SPRACHENFRAGE ALS KONFLIKTPUNKT INNERHALB DER UNIVERSITÄT 381
tionalität und Sprache“ garantiert. Mit dem Silvesterpatent von 1851 wurde
dieses Zugeständnis jedoch wieder kassiert, blieb aber gewissermaßen, wie
Hannelore Burger schreibt, stets im Gedächtnis der Bevölkerung und damit
von politischer Relevanz.28 Für das Unterrichtswesen bedeutete dies, dass
zwar die landesüblichen29 Sprachen und die Muttersprachen der Schüler an
den Volks- und Unterrealschulen die Unterrichtssprache waren, gleichzeitig
jedoch das Deutsche als verbindlicher Lehrgegenstand und in den höheren
Klassen der Gymnasien sogar als vorherrschende Unterrichtssprache vor-
geschrieben wurde. Diese Regelung blieb bis 1859 in Kraft, sodann wurde
die Vorschrift, wonach in den höheren Klassen Deutsch die Unterrichtsspra-
che sein müsse, aufgehoben und „die sprachliche Klammer im Habsburger-
reich“30 damit gelöst.
An den Universitäten war grundsätzlich Deutsch die Unterrichtssprache,
hier folgte die sprachliche Gleichberechtigung erst später und für einzelne
Universitäten zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Universitäten in Lem-
berg und Krakau erhielten etwa 1868 bzw. 1870/71 das Recht, alle Vorle-
sungen in Polnisch bzw. Ruthenisch abzuhalten und Prüfungen in diesen
Sprachen abzunehmen, nachdem schon Thun in den 1850er-Jahren dort die
gleichberechtigte Verwendung von Polnisch und Deutsch angestrebt hat-
te.31 Die Teilung der Prager Universität in eine deutsche und eine tschechi-
sche Universität 1882 markiert die Wende in der Sprachen- und Nationali-
tätenfrage nach dem Scheitern der neoabsolutistischen Ära am deutlichsten,
wonach allen Nationalitäten Bildung von der Volksschule bis zur Universi-
tät in der Muttersprache ermöglicht werden sollte.32
28 Vgl. Burger, Sprachenstreit und Sprachengerechtigkeit im österreichischen Unterrichts-
wesen 1867–1918, S. 33.
29 Zum Begriff siehe auch bei Thomas waLLnig, Language and power in the Habsburg Em-
pire: The historical context, in: Rosita Rindler Schjerve (Hg.), Diglossia and power. Langu-
age policies and practice in the 19th century Habsburg Empire, Berlin 2003, S. 15–32, hier
S. 23–24.
30 Burger, Sprachenstreit und Sprachengerechtigkeit im österreichischen Unterrichtswesen
1867–1918, S. 35, insgesamt S. 34–35.
31 Siehe die gesetzlichen Regelungen hierzu bei Beck mannagetta et al., Die österreichischen
Universitätsgesetze, S. 16–20. Vgl. besonders auch HeindL, Universitätsreform und politi-
sches Programm.
32 Vgl. dazu Ferdinand seiBt (Hg.), Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intel-
lektuelle Desintegration in den böhmischen Ländern. Vorträge der Tagung des Collegium
Carolinum in Bad Wiessee vom 26. bis 28. November 1982, München 1984; Burger, Spra-
chenstreit und Sprachengerechtigkeit im österreichischen Unterrichtswesen 1867–1918, S.
130–131.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen