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7.3. DIE UNIVERSITÄT INNSBRUCK ALS ‚DEUTSCHE UNIVERSITÄT‘?! 399
Verdienst angesehen, wenn etwa im Jahr 1893 die Reformen Thuns folgen-
dermaßen gewürdigt wurden:
Es war eine geistige Wiedergeburt für Österreich. Die höhere wissenschaft-
liche Bildung drang in weite Kreise, die fachliche Bildung vertiefte sich, die
deutsche Wissenschaft [Hervorhebung C.A.] drang immer tiefer in den Osten ein,
die Culturgemeinschaft der Stammverwandten Oesterreichs und Deutsch-
lands kam zum lebendigen Ausdruck.106
Das Zitat ist freilich eine spätere Deutung der Politik Thuns, als die nati-
onalen Spannungen in der Habsburgermonarchie sich noch weiter gestei-
gert hatten, doch ließen sich Ansätze dieser Vorstellung, ersetzte man Osten
durch Süden, für Innsbruck durchaus schon während der Ministerschaft
Thuns erkennen. Damals, so muss man festhalten, dominierte jedoch noch
stärker die Vorstellung eines positiven Einflusses der deutschen Wissen-
schaft auf die italienischsprachigen Studenten, wenngleich das Gefühl einer
kulturellen Überlegenheit nicht fremd war. In diesem Sinne wurde mehr-
fach der Vorteil eines Studiums in Innsbruck für italienische Studenten da-
rin gesehen, dass sie dort etwa auch „deutschen Fleiß und deutsche Gründ-
lichkeit“107 erlernen könnten.108 Diese zumindest in Ansätzen positive Sicht
wuchs sich allerdings spätestens nach der Einrichtung der italienischen
Parallelkurse bis zur Vorstellung aus, die deutsche Universität Innsbruck
müsse aktiv das romanische Element zurückdrängen. Ein eindrückliches
Beispiel für eine solche Sichtweise lieferte der Ministerialbeamte und Bil-
dungspolitiker Armand Dumreicher109, der 1873 forderte, dass „der Inns-
brucker Hochschule außer ihrem humanen auch noch ein nationaler Beruf
zukömmt.“110 Dumreicher hatte dabei sowohl die Abwehr des vermeintlich
vordringenden romanischen Elementes nach Norden im Blick als auch die
Neugestaltung der theologischen Fakultät, die von den Jesuiten geführt
wurde und somit das romanische Element ganz besonders verkörperte.
Andernfalls würde man zulassen, dass an der Universität „jene Waffen ge-
106 Der Philologentag.
107 Akademischer Senat an MCU (Konzept), Innsbruck 09.11.1856, Akten des Rektorates 21,
81/R ex 1856/57, Universitätsarchiv Innsbruck.
108 Vgl. auch Petter an Thun, Split 14.04.1850, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D45,
Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
109 Zu Dumreichers politischen Vorstellungen siehe in seinen Erinnerungen. Armand von
dumreicHer, Aus meiner Studentenzeit, Wien 1909, S. 3.
110 dumreicHer, Die Verwaltung der Universitäten seit dem letzten politischen Systemwechsel
in Österreich, S. 41.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen