Page - 412 - in Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860 - Aufbruch in eine neue Zeit
Image of the Page - 412 -
Text of the Page - 412 -
8 DIE UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK INNSBRUCK IN DER
REFORMÄRA412
Entwicklung scheint der damalige Innsbrucker Bibliothekar Scherer jedoch
nicht unkritisch gegenübergestanden zu haben. So beargwöhnte er etwa das
Entlehnungsrecht seit 1848 und äußerte sich wiederholt leicht vergrämt da-
rüber: Einerseits, weil er und seine Mitarbeiter dadurch in ihren anderen
Aufgaben aufgehalten bzw. gestört wurden („Kaum hat man die Feder in
der Hand, muß man sie wieder hindanlegen um Begehrenden zu Diensten
zu sein.“59), andererseits, weil der Umgang mit entlehnten Büchern ihm viel-
fach Anlass zur Sorge und Kritik bereitete:
Der unterthänigst Gefertigte hat im Bücherausleihen eine Menge Erfahrung
gemacht, die er zur Ehre der Entlehner und zur Vermeidung des eigenen Scha-
dens lieber nicht gemacht hätte. Das Vertrauen wird nicht leicht in irgend
einer anderen Sache so unbedenklich mißbraucht, wie beim Bücherentleihen,
wie jeder der selbst eine Bibliothek hat, und davon ausleiht, sich überzeugen
kann.60
Gleichzeitig glaubte er, festgestellt zu haben, dass „die entlehnten Bücher
beim Entlehner oft lange unbenützt liegen […] wie nicht selten der Staub zu
erkennen gibt, womit es bedeckt zurückgegeben wird.“61 Scherer sprach sich
daher auch 1853 gegen eine nochmalige Erweiterung der Ausleihmöglichkei-
ten aus, die damals vom Ministerium in Aussicht gestellt worden war.
Für die Erlaubnis ein Buch entlehnen zu dürfen, war das Hinterlegen
einer Kaution von 15 fl. erforderlich.62 Aus diesem Grund hielten sich die
Entlehnungen auch in Grenzen, von 1850 bis 1853 wurden lediglich 375 Bü-
cher entlehnt. Durchschnittlich benützten in diesem Zeitraum etwa 50 Le-
ser täglich die Bibliothek (60 bis 70 bei schlechter Witterung). Scherer stellt
diese Menge jedoch in Relation zur geringen Zahl an Studenten und führt
die niedrige Zahl der Entlehnungen auch darauf zurück, dass „die Mehrzahl
mögen die baulichen und notwendigen Voraussetzungen schaffen, die die „liberalere Admi-
nistration“ der Bibliotheken verlange. Die Bibliothekare wurden gleichzeitig gebeten mit
„Einsicht und Humantität“ diesen Maßregeln nachzukommen. Siehe Wiener Zeitung, 222
(13.08.1848), S. 390.
59 Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 06.12.1855, Statthalterei Studien 23007 ad
2038/1855, Tiroler Landesarchiv.
60 Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 14.08.1853, Statthalterei Studien 8623 ad
6845/1853, Tiroler Landesarchiv.
61 Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 14.08.1853, Statthalterei Studien 8623 ad
6845/1853, Tiroler Landesarchiv. Roschmann gebrauchte 100 Jahre zuvor ganz ähnliche
Argumente, um sich gegen ein Ausleihrecht – nur für Professoren – zu wehren. Hittmair,
Geschichte der k.k. Universitätsbibliothek in Innsbruck, S. 30–31.
62 Vgl. Scherer an die Statthalterei, Innsbruck 14.08.1853, Statthalterei Studien 8623 ad
6845/1853, Tiroler Landesarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen