Page - 31 - in Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten

Das herrliche Aussee. II den Natterriegcl. Von diesem Berge aus sieht man über das ferne Tonaugebict hinaus den blanen Rücken des Böhmerwaldes. Gegen Süden, Osten und Westen ist die wilde graue Felscnwclt der Ennsthaler Alpen nnd des Hochschwab, sind die sanfteren Massen des Urgcbirgs im Murgcbicte, dann die Schladminger Alpen mit dem Hoch- golling, dann die Ansseer Felsen :nit dem trotzigeil Grimming, die eisigen Salzburgcr Tauern mit dem Dachstein und dem Großglockner. Heute ist Admont, dieses einzige Alpcnthal, noch nicht so berühmt, als es zu sein verdient: aber jedes Jahr fahren auf der schönen Rndolfsbahn ucuc Bergwanderer herein, die den Ruhm aümälig schon verbreiteil werden in der weiten Welt. Das herrliche Auffee. Unser Weg führt weiter das breite Ennsthal hinauf. In dem neu emporstrebenden Orte Eclzthal verlassen wir die Rudolfsbahn, welche links in das grüne Paltenthal einmündet nnd der Mur zustrebt. Wir bleiben noch auf dem mit hundert und hundert Moor- und Hcuhüttcn über- säctcn Moorgrunde des Ennsthales und laben nns nach all der wilden Pracht an den nur spärlich mit Felsen besäetm Waldhöhen, die es einsäumen. An dem aus der Zeit der Reformation merk- würdigen Bergschlossc Etrechan vorbei, das wie ein ummauertes vielgicbeliges Städtchen ins Paltcnthal hinaus schaut; an dem stattlichen Lictzcn vorüber und an dem malerischen Wörschach mit seiner uralten Felsenrnine Wollenstem zieht unser Weg. Vor nns taucht immer höher nnd höher empor der trotzige Felsricsc: der Großherrscher Grimming. Am Fuße desselben steht das weiße Würfclchen des Schlusses Trantcnfcls. Wir haben absichtlich die Giselabahn, welche von Sclzthal her an der Enns zieht und nns leicht in das Salzburgische entführt hätte, vermieden. Wir wollen noch allzugerne in diesem Thale weilen, um dann den aller - schönsten Punkt der schönen Steiermark anfznsuchcn. Ist doch auch die Enns, die wir unten bei den Felsen ganz anders kennen gelernt haben, hier so freundlich und zahm. Die wunderliche Maid! Im salzbnrgischen Hochthale drin, ganz wie ein schämiges Mädchen, schleicht sie auf den Zehenspitzen hin unter dein Weidengcbüsch nnd schaukelt manches Halterbüblein anf weichen Armen. Hier wie eine stattliche Frau voll Milde, Anmuth und Würde zugleich, und weiter nnten, kaum an dem Priestcrpalastc vorbei die wilde Fnric — reitend auf schäumendem Schimmel setzt sie über Klotz und Gestein. „Und wollt' sich ihr da unten das Haltcrbüblcin vcrtrau'n, sie that' es umarmen, fiebernd drücken an den wildwugendcn Busen, halsen und küssen — mehr als gcnung." So bestimmen die Verhältnisse nicht allein den Menschen, sondern auch das Wasser — ganz anders im Gebirge und ganz anders anf flachem Lande. Wir wundern uns, daß heute der Himmel so blan ist, denn dieses von den höchsten Gebirgen des Lande-:- eingeschlossene Thal der Enns ist nicht allzuoft aufgelegt zum Lächeln; gar häufig häugen die zerrissenen Fahnen der Nebel an den Zacken, und so lange der trotzige Grimming seine graue Flagge nicht eingezogen hat, ist nicht zu trauen. Auf den Höhen des Grimming finden wir, die von Osten Kommenden, die ersten gletscherähnlichen Schnee- lager. Der Grimming erscheint vom Thale aus um so erhabener, als er von den Umgebungen durch tiefe