Page - 42 - in Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten
Image of the Page - 42 -
Text of the Page - 42 -
H? Steiermark.
unter als über sich, und oft, während die Wände uud Almen unten in finsteren Wettcrstürmcn zittern, baden sich
oben die Häupter im Sonnenschein.
So nnd ähnlich bauen sich die Alpen auf von ihren tiefsten Gründen bis zu ihren höchsten Warte»; mich
der Dachstein macht davon keine Ausnahme.
Die Eigenheit des Dachstein beginnt mit dem KarlsEisfeld.
Das ^iarls Eisfeld oder der todte Schnee, wie hier die Gletscher genannt werden, das größte dieses Gebirges,
hat einen Umfang von füuf Stunden. Zuerst steigt es nur allmälig an, bald schweift es sich aber so steil empor,
daß es weiter hi»an unzugänglich ist. Ueber dem weißgrünlichr» Eismeere erhebe» sich die dunkeln .'velsthürme des
Gjeidstcins, des hohen Kreuzes uud des Dachsteins. Ein überwältigender Anblick! Unten in der Tiefe blaugrüne
Seen zwischen Wäldern »nd Wiese»; hier oben ein wilderstarrtes Meer von Eis zwischen den nackten Kaltriffe»,
^n de» Mulden la»fc» die Gewässer aus den Eishallen des Gletschers zusammen, nm nach stundenlangem Fallen
und Stürzen in der Unterwelt des Dachstein endlich als der bekanutc Valdbachstrub bei Hallstadt wieder ans
Tageslicht zu quellen.
Vermittelst Eisenhacken, Leitern nnd Seilen über Hänge, Klüfte, Fels nnd Eisgetrümmer, über eine Wildnis;
schrecklichster Art erringt der kühne Tonrist endlich dir erhabene Zinne des Dachstein, a»f welcher nur wenige
Mensche» Raum haben, so wie nur Wenige anserwählt si»d, die große Herrlichkeit Gottes vo» N»gcsicht zu Angesicht
zu schauen. — Ich meine ja doch, der Mensch könne von solcher Zinne »immer so herabkomme», als er hinauf
gestiegen ist; cs müßte der Blick seines Auges sich gedehnt, sein Herz sich geweitet haben, nnd vom Kusse Gottes
dnrchschanert müßte er keinen Sinn mehr haben für all das Kleinliche »nd den Tand; nnd einst im Sterben, das
letzte Bild des brechenden Anges — es müßte das Bild sein, welches vom hohen Berge aus vorcinst gesehen worden war.
Die Anssicht vom Dachstein reicht vom Schnccberg in Nicdcr-Ocstcrreich bis zu den Zillerthalcralpen in
Tirol. Besonders fallen auf der Malnitzcr-Tanern, der Glöckner nnd Vencdigcr, der hohe Narr, der Watzmann, die
Dreihcrrenspitze. Unzählige Berghäuptcr, Gletscher »nd Schnccfclder sind zwischen diesen Riesen vertheilt. Die
Thalanssichten reichen nanientlich gegen Norden von Oberöstcrreich bis Bahcrn; von Stcicrmark sicht man alle
höheren Berge. Von dieser erhabenen Zinne ans, an der äußersten Greuzc des Landes, beginnt die steirische
Vulkshhmnc ihren Flug:
„Hoch vom Dachstein an,
Wo der Adler haust.
Bis ins Wendenland
^Iin Bett der Eann,
Wo die Sennen»
Frohe Lieder simit
lind der Jäger kühn
Eein Iagdrohr schwingt:
?iese2 schöne Land
Ist mein Steierland,
,^ sl mein liebes, theures
tzeimatsland!"
Steigen wir nun, nm von unten empor noch einen Blick anf den Dachstein zu thun, ins obere Ennsthal
nieder nnd besuchen Schladming, das alte Echladming mit seinem blutigen Marktplatz. Wir erinnern uns an
das entsetzliche Blntbad, das znr Zeit dcr Rcligiuns- und Bauernkriege hier angerichtet worden ist. Zu dieser Zeit
erhoben sich die Bauern und Bergknappen und zogen gegen Adel nnd Geistlichkeit ins Feld, sie wollten Verminderung
der Abgaben, Freiheit in Wald und Wild. Da rückte dcr Landeshauptmann von Eteiermark, dcr Tictrichsteincr
mit den kaiserlichen Söldnern an. Er wurde in Schladming von viertausend Bauern umringt und gefangen. Ein
Wildling aus dem Gebirge schleuderte ihm die Worte ins Gesicht: „Dietrichstcincr, dn schilchend Hnrrcnkind, hast
back to the
book Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten"
Unser Vaterland
Steiermark und Kärnten
- Title
- Unser Vaterland
- Subtitle
- Steiermark und Kärnten
- Authors
- Peter.K. Rosegger
- Fritz Pichler
- A. von Rauschenfels
- Publisher
- Gebrüder Kröner
- Location
- Stuttgart
- Date
- 1877
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 28.1 x 42.23 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Wandern
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918