Page - 11 - in Venus im Pelz
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Zur Sache.
Ich liege in meinem Fenster und finde das Nest, in dem ich verzweifle,
eigentlich unendlich poetisch, welcher Blick auf die blaue, von goldenem
Sonnenduft umwobene hohe Wand des Gebirges, durch welche sich
Sturzbäche wie Silberbänder schlingen, und wie klar und blau der Himmel, in
den die beschneiten Kuppen ragen, und wie grün und frisch die waldigen
Abhänge, die Wiesen, auf denen kleine Herden weiden, bis zu den gelben
Wogen des Getreides hinab, in denen die Schnitter stehen und sich bücken
und wieder emportauchen.
Das Haus, in dem ich wohne, steht in einer Art Park, oder Wald, oder
Wildnis, wie man es nennen will, und ist sehr einsam.
Es wohnt niemand darin als ich, eine Witwe aus Lwow, die Hausfrau
Madame Tartakowska, eine kleine alte Frau, die täglich älter und kleiner wird,
ein alter Hund, der auf einem Beine hinkt, und eine junge Katze, welche stets
mit einem Zwirnknäuel spielt, und der Zwirnknäuel gehört, glaube ich, der
schönen Witwe.
Sie soll wirklich schön sein, die Witwe, und noch sehr jung, höchstens
vierundzwanzig, und sehr reich. Sie wohnt im ersten Stock und ich wohne
ebener Erde. Sie hat immer die grünen Jalousien geschlossen und hat einen
Balkon, der ganz mit grünen Schlingpflanzen überwachsen ist; ich aber habe
dafür unten meine liebe, trauliche Gaisblattlaube, in der ich lese und schreibe
und male und singe, wie ein Vogel in den Zweigen. Ich kann auf den Balkon
hinaufsehen. Manchmal sehe ich auch wirklich hinauf und dann schimmert
von Zeit zu Zeit ein weißes Gewand zwischen dem dichten, grünen Netz.
Eigentlich interessiert mich die schöne Frau dort oben sehr wenig, denn ich
bin in eine andere verliebt, und zwar höchst unglücklich verliebt, noch weit
unglücklicher, als Ritter Toggenburg und der Chevalier in Manon l’Escault,
denn meine Geliebte ist von Stein.
Im Garten, in der kleinen Wildnis, befindet sich eine graziöse kleine Wiese,
auf der friedlich ein paar zahme Rehe weiden. Auf dieser Wiese steht ein
Venusbild von Stein, das Original, glaube ich, ist in Florenz; diese Venus ist
das schönste Weib, das ich in meinem Leben gesehen habe.
Das will freilich nicht viel sagen, denn ich habe wenig schöne Frauen, ja
überhaupt wenig Frauen gesehen und bin auch in der Liebe nur ein Dilettant,
der nie über die Grundierung, über den ersten Akt hinausgekommen ist.
Wozu auch in Superlativen sprechen, als wenn etwas, was schön ist, noch
übertroffen werden könnte.
Genug, diese Venus ist schön und ich liebe sie, so leidenschaftlich, so
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Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik