Page - 31 - in Venus im Pelz
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Ich kam sehr jung an die Universität und in die Hauptstadt, in welcher
meine Tante wohnte. Meine Stube glich damals jener des Doktor Faust. Alles
stand in derselben wirr und kraus, hohe Schränke mit Büchern vollgepfropft,
welche ich um Spottpreise bei einem jüdischen Antiquar in der Servanica
erhandelte, Globen, Atlanten, Phiolen, Himmelskarten, Tiergerippe,
Totenköpfe, Büsten großer Geister. Hinter dem großen grünen Ofen konnte
jeden Augenblick Mephistopheles als fahrender Scholast hervortreten.
Ich studierte alles durcheinander, ohne System, ohne Wahl, Chemie,
Alchimie, Geschichte, Astronomie, Philosophie, die Rechtswissenschaften,
Anatomie und Literatur; las Homer, Virgil, Ossian, Schiller, Goethe,
Shakespeare, Cervantes, Voltaire, Molière, den Koran, den Kosmos,
Casanovas Memoiren. Ich wurde jeden Tag wirrer, phantastischer und
übersinnlicher. Und immer hatte ich ein schönes ideales Weib im Kopfe, das
mir von Zeit zu Zeit gleich einer Vision auf Rosen gebettet, von Amoretten
umringt, zwischen meinen Lederbänden und Totenbeinen erschien, bald in
olympischer Toilette, mit dem strengen weißen Antlitz der gipsernen Venus,
bald mit den üppigen braunen Flechten, den lachenden blauen Augen und in
der rotsamtenen hermelinbesetzten Kazabaika meiner schönen Tante.
Eines Morgens, nachdem sie mir wieder in vollem lachenden Liebreiz aus
dem goldenen Nebel meiner Phantasie aufgetaucht war, ging ich zu Gräfin
Sobol, welche mich freundlich, ja herzlich empfing und mir zum Willkomm
einen Kuß gab, der alle meine Sinne verwirrte. Sie war jetzt wohl nahe an
vierzig Jahre, aber wie die meisten jener unverwüstlichen Lebefrauen noch
immer begehrenswert, sie trug auch jetzt stets eine pelzbesetzte Jacke, und
zwar diesmal von grünem Samt mit braunem Edelmarder, aber von jener
Strenge, die mich damals an ihr entzückt hatte, war nichts zu entdecken.
Im Gegenteil sie war so wenig grausam gegen mich, daß sie mir ohne viel
Umstände die Erlaubnis gab, sie anzubeten.
Sie hatte meine übersinnliche Torheit und Unschuld nur zu bald entdeckt,
und es machte ihr Vergnügen, mich glücklich zu machen. Und ich – ich war
in der Tat selig wie ein junger Gott. Welcher Genuß war es für mich, wenn
ich, vor ihr auf den Knien liegend, ihre Hände küssen durfte, mit denen sie
mich damals gezüchtigt hatte. Ach! was für wunderbare Hände! von so
schöner Bildung, so fein und voll und weiß, und mit welch’ allerliebsten
Grübchen. Ich war eigentlich nur in diese Hände verliebt. Ich trieb mein Spiel
mit ihnen, ließ sie in dem dunklen Pelz auf- und abtauchen, ich hielt sie gegen
die Flamme und konnte mich nicht satt sehen an ihnen.«
Wanda betrachtete unwillkürlich ihre Hände, ich bemerkte es und mußte
lächeln.
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Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik