Page - 33 - in Venus im Pelz
Image of the Page - 33 -
Text of the Page - 33 -
physischer Reiz, welcher wenigstens ebenso seltsam prickelnd ist, und dem
sich niemand ganz entziehen kann. Die Wissenschaft hat in neuester Zeit eine
gewisse Verwandtschaft zwischen Elektrizität und Wärme nachgewiesen,
verwandt sind ja jedenfalls ihre Wirkungen auf den menschlichen
Organismus. Die heiße Zone erzeugt leidenschaftlichere Menschen, eine
warme Atmosphäre Aufregung. Genauso die Elektrizität. Daher der hexenhaft
wohltätige Einfluß, welchen die Gesellschaft von Katzen auf reizbare geistige
Menschen übt und diese langgeschwänzten Grazien der Tierwelt, diese
niedlichen, funkensprühenden, elektrischen Batterien zu den Lieblingen eines
Mahomed, Kardinal Richelieu, Crebillon, Rousseau, Wieland, gemacht hat.«
»Eine Frau, die also einen Pelz trägt«, rief Wanda, »ist also nichts anderes
als eine große Katze, eine verstärkte elektrische Batterie?«
»Gewiß«, erwiderte ich, »und so erkläre ich mir auch die symbolische
Bedeutung, welche der Pelz als Attribut der Macht und Schönheit bekam. In
diesem Sinne nahmen ihn in früheren Zeiten Monarchen und ein gebietender
Adel durch Kleiderordnungen ausschließlich für sich in Anspruch und große
Maler für die Königinnen der Schönheit. So fand ein Raphael für die
göttlichen Formen der Fornarina, Titian für den rosigen Leib seiner Geliebten
keinen köstlicheren Rahmen als dunklen Pelz.«
»Ich danke für die gelehrt erotische Abhandlung«, sprach Wanda, »aber Sie
haben mir nicht alles gesagt, Sie verbinden noch etwas ganz Apartes mit dem
Pelz.«
»Allerdings«, rief ich, »ich habe Ihnen schon wiederholt gesagt, daß im
Leiden ein seltsamer Reiz für mich liegt, daß nichts so sehr imstande ist,
meine Leidenschaft anzufachen als die Tyrannei, die Grausamkeit, und vor
allem die Treulosigkeit eines schönen Weibes. Und dieses Weib, dieses
seltsame Ideal aus der Ästhetik des Häßlichen, die Seele eines Nero im Leibe
einer Phryne, kann ich mir nicht ohne Pelz denken.«
»Ich begreife«, warf Wanda ein, »er gibt einer Frau etwas Herrisches,
Imponierendes.«
»Es ist nicht das allein«, fuhr ich fort, »Sie wissen, daß ich
ein ›Übersinnlicher‹ bin, daß bei mir alles mehr in der Phantasie wurzelt und
von dort seine Nahrung empfängt. Ich war früh entwickelt und überreizt, als
ich mit zehn Jahren etwa die Legenden der Märtyrer in die Hand bekam; ich
erinnere mich, daß ich mit einem Grauen, das eigentlich Entzücken war, las,
wie sie im Kerker schmachteten, auf den Rost gelegt, mit Pfeilen
durchschossen, in Pech gesotten, wilden Tieren vorgeworfen, an das Kreuz
geschlagen wurden, und das Entsetzlichste mit einer Art Freude litten. Leiden,
grausame Qualen erdulden, erschien mir fortan als ein Genuß, und ganz
33
back to the
book Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik