Page - 92 - in Venus im Pelz
Image of the Page - 92 -
Text of the Page - 92 -
Eine neue phantastische Toilette, russische Halbstiefel von veilchenblauem
Samt, mit Hermelin besetzt, eine Robe von gleichem Stoff, durch schmale
Streifen und Kokarden desselben Pelzwerkes emporgehalten und geschĂĽrzt,
ein entsprechender, anliegender kurzer Paletot, gleichfalls reich mit Hermelin
ausgeschlagen und gefĂĽttert; eine hohe MĂĽtze von Hermelinpelz im Stile
Katharinas II., mit kleinem Reiherbusch, der von einer Brillanten-Agraffe
gehalten wird, das rote Haar aufgelöst über den Rücken. So steigt sie auf den
Bock und kutschiert selbst, ich nehme den Platz hinter ihr ein. Wie sie in die
Pferde peitscht. Das Gespann fliegt wie rasend dahin.
Sie will heute offenbar Aufsehen erobern, und das gelingt ihr vollständig.
Heute ist sie die Löwin der Cascine. Man grüßt sie aus den Wagen; auf dem
Pfade fĂĽr die FuĂźgeher bilden sich Gruppen, welche von ihr sprechen. Doch
niemand wird von ihr beachtet, hie und da der Gruß eines älteren Kavaliers
mit einem leichten Kopfnicken erwidert.
Da sprengt ein junger Mann auf schlankem wilden Rappen heran; wie er
Wanda sieht, pariert er sein Pferd und läßt es im Schritte gehen – schon ist er
ganz nahe – er hält und läßt sie vorbei, und jetzt erblickt auch sie ihn – die
Löwin den Löwen. Ihre Augen begegnen sich – und wie sie an ihm
vorbeijagt, kann sie sich von der magischen Gewalt der seinen nicht losreiĂźen
und wendet den Kopf nach ihm.
Mir steht das Herz still bei diesem halb staunenden, halb verzĂĽckten Blick,
mit dem sie ihn verschlingt, aber er verdient ihn.
Er ist bei Gott ein schöner Mann. Nein, mehr, er ist ein Mann, wie ich noch
nie einen lebendig gesehen habe. Im Belvedere steht er in Marmor gehauen,
mit derselben schlanken und doch eisernen Muskulatur, demselben Antlitz,
denselben wehenden Locken, und was ihn so eigentümlich schön macht, ist,
daß er keinen Bart trägt. Wenn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn
fĂĽr ein verkleidetes Weib halten, und der seltsame Zug um den Mund, die
Löwenlippe, welche die Zähne etwas sehen läßt und dem schönen Gesichte
momentan etwas Grausames verleiht –
Apollo, der den Marsyas schindet.
Er trägt hohe schwarze Stiefel, eng anliegende Beinkleider von weißem
Leder, einen kurzen Pelzrock, in der Art, wie ihn die italienischen
Reiteroffiziere tragen, von schwarzem Tuche mit Astrachanbesatz und reicher
VerschnĂĽrung, auf den schwarzen Locken ein rotes Fez.
Jetzt verstehe ich den männlichen Eros und bewundere den Sokrates, der
einem solchen Alcibiades gegenĂĽber tugendhaft blieb.
92
back to the
book Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik