Page - 107 - in Venus im Pelz
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»Ich hasse dieses Florenz, wo du so unglücklich warst«, sprach sie, als ich
ihr gute Nacht sagte, »ich will sofort abreisen, morgen schon, du wirst die
Güte haben, einige Briefe für mich zu schreiben, und während du damit
beschäftigt bist, fahre ich in die Stadt und mache meine Abschiedsbesuche.
Ist’s dir so recht?«
»Gewiß, mein liebes, gutes, schönes Weib.«
Sie klopfte früh am Morgen an meine Türe und fragte, wie ich geschlafen.
Ihre Liebenswürdigkeit ist wahrhaft entzückend, ich hätte nie gedacht, daß ihr
die Sanftmut so gut läßt.
Nun ist sie mehr als vier Stunden fort, ich bin mit meinen Briefen längst
fertig und sitze in der Galerie und blicke auf die Straße hinaus, ob ich nicht
ihren Wagen in der Ferne entdecke. Mir wird ein wenig bange um sie, und
doch habe ich weiß Gott keinen Anlaß mehr zu Zweifeln oder Befürchtungen;
aber es liegt da auf meiner Brust und ich werde es nicht los. Vielleicht sind es
die Leiden vergangener Tage, die noch ihren Schatten in meine Seele werfen.
Da ist sie, strahlend von Glück, von Zufriedenheit.
»Nun, ist alles nach Wunsch gegangen?« fragte ich sie, zärtlich ihre Hand
küssend.
»Ja, mein Herz«, erwidert sie, »und wir reisen heute nacht, hilf mir meine
Koffer packen.«
Gegen Abend bittet sie mich, selbst auf die Post zu fahren und ihre Briefe
zu besorgen. Ich nehme ihren Wagen und bin in einer Stunde zurück.
»Die Herrin hat nach Ihnen gefragt«, spricht die Negerin lächelnd, als ich
die breite Marmortreppe hinaufsteige.
»War jemand da?«
»Niemand«, erwiderte sie und kauert sich wie eine schwarze Katze auf den
Stufen nieder.
Ich gehe langsam durch den Saal und stehe jetzt vor der Türe ihres
Schlafgemaches.
Warum klopft mir das Herz? Ich bin doch so glücklich.
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Venus im Pelz
- Title
- Venus im Pelz
- Author
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 114
- Keywords
- Novelle, Liebe
- Categories
- Weiteres Belletristik