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Inhalt und Gliederung 27
in ihrer ExistentialitĂ€t und SpontaneitĂ€t, die nicht âverordnetâ oder aufgedrĂ€ngt, an-
scheinend aber auch nicht mehr verdrÀngt werden kann:
Ich sah ĂŒberzeugte Atheisten sterben, die es zeitlebens glattwegs perhorresziert hĂ€tten, an âein
höheres Wesenâ oder dergleichen, an einen in einer dimensionalen Bedeutung höheren Sinn
des Lebens zu glauben; aber auf ihren Totenbetten haben sie, was sie in Jahrzehnten nieman-
dem vorzuleben imstande gewesen waren, âin der Stunde ihres Absterbensâ dessen Zeugen vor-
gestorben: eine Geborgenheit, die nicht nur ihrer Weltanschauung Hohn spricht, sondern auch
nicht mehr intellektualisiert und rationalisiert werden kann. âDe profundisâ bricht etwas auf,
ringt sich etwas durch, tritt zutage ein restloses Vertrauen, das nicht weiĂ, wem es entgegenge-
bracht wird noch worauf es vertraut, und das doch dem Wissen um die infauste Prognose trotzt.
Mit seiner eigenen Begriffsbildung â âunbewusster Gottâ â will Frankl nun gerade
dieser von ihm postulierten âAllgegenwart des Glaubensâ auf anthropologischer
Ebene Ausdruck verleihen. Mit ihr meint er nĂ€mlich die âunbewusste ReligiositĂ€tâ
im Sinne einer unbewussten Gottbezogenheit des Menschen:
Unsere Formel vom unbewussten Gott meint also nicht, dass Gott an sich, fĂŒr sich, sich selbst
â unbewusst sei; vielmehr meint sie, dass Gott mitunter uns unbewusst ist, dass unsere Relati-
on zu ihm unbewusst sein kann, nÀmlich verdrÀngt und so uns selbst verborgen.
Wichtiger als die leicht missverstÀndliche begriffliche Formulierung selbst scheint
die Tatsache zu sein, dass Frankl in diesem Zusammenhang eine Erweiterung und
zugleich âeine Rehabilitierung des Unbewusstenâ vornimmt, indem er vom âgeis-
tig Unbewusstenâ spricht. In der ontologischen Konzeption Viktor Frankls deckt
sich also das Geistige nicht mit dem Bewusstsein, das seinerseits âallem Anschein
nach angewiesen [ist] auf einen psychophysischen Organismus, und zwar auf eine
intakte Psychophysisâ (Frankl 1990, 213). Innerhalb der menschlichen Geistigkeit
gibt es ânun auch so etwas wie unbewusste Geistigkeitâ (Frankl 1994a, 76). Damit
meint Frankl â im Gegensatz zu Sigmund Freuds Vorstellung des Unbewussten als
Sammelbecken verdrĂ€ngter Triebhaftigkeit â nicht einen Bereich der psychischen
Struktur des Menschen. Vielmehr ist das Geistige unbewusst offen âinsofern, als es
im unreflektierten Vollzug geistiger Akte âaufgehtââ (Frankl 1990, 212). Wann im-
mer bei Frankl von unbewusster Geistigkeit die Rede ist, soll infolgedessen nichts
anderes verstanden werden als âunreflektiertâ. Und doch ist mehr gemeint, nĂ€mlich
auch âunreflektierbarâ: âIst die Geistigkeit des Menschen doch nicht nur schlechthin
unbewusst, sondern auch obligat unbewusstâ (Frankl 1994a, 80).
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Viktor E. Frankl
Gesammlte Werke
Psychotherapie, Psychiatrie und Religion. Ăber das Grenzgebiet zwischen Seelenheilkunde und Glauben
- Title
- Viktor E. Frankl
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Authors
- Alexander Batthyany
- JĂĄnos Vik
- Karlheinz Biller
- Eugenio Fizzotti
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20574-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 318
- Keywords
- Psychotherapie, Psychologie, Psychiatrie, Religion, Logotherapie, Existenzanalyse, Viktor Frankl
- Category
- Geisteswissenschaften