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Wäsche eilig in die Lauge, wringt die einzelnen Stücke aus, um sie rasch und
recht leger aufdie Leine zuhängen. Slapstickartig laufenNinetteund Jeanwieder-
holt mit der nassenWäsche gegeneinander. Man scherzt und lacht. Nach einem
Schnittwirdvonder totalenzurhalbtotalenEinstellunggewechselt. Jeanbügeltdie
Tücherund legt sie feinsäuberlichzusammen,währendNinettedieWeißwäsche in
denbereitsgutgefülltenSchrank legt.DieArbeit ist getan.DerSoldatklatscht froh-
gemut indieHände, legtseinenGürtelwiederan.
Jean kommuniziert nun direkt mit dem Publikum, die Handlungsachse ändert
sicherstmals– stattnurzubeobachten,werdendieZuschauereinbezogen.DasPaar
fällt sich glücklich in dieArme,Ninettewirft einenBlick zurück in die Kamera, die
beiden verlassen denRaum. Kurz darauf betritt die Dienstgeberin dieWaschküche.
Sie sucht dieKleider imKorb,wendet sich zumBügelbrett und steht schließlich er-
leichtert und sichtlich erfreut vor dem geöffneten, gefülltenWäschekasten. Ninette
und Jeanschleichen indessendurchdieTür.DasMädchenzeigt erklärendauf ihren
Geliebten,dereinWerbeplakatderFirmaNeubozonentrollt, aufdemeineschwarze,
breitgrinsendeWaschfrauamWäschetrogdieBetrachteranblickt.BeideFrauenwei-
sen auf die Affiche, dieHausherrin tippt sich lächelnd an die Stirn. Neuerlichwird
dasPublikum–nunimZugedesSchlussappells–direktadressiert.DasEndbildprä-
sentiert dasWerbeplakat inNahaufnahme, der Kopf der Reklamefigurwurde durch
denNinettesersetzt,dieFraublicktscherzendundnickendindieKamera.
Ein Vergleichmit dem vorliegendenUrsprungsszenariomacht Änderungen in
derUmsetzungdesStoffes ersichtlich.Der realisierteFilmweist einenweitweniger
aggressivenUnterton auf. So stößt die Hausherrin Ninette weder in dieWaschkü-
che, nochgeht siewütendauf das Liebespaar los. Dafür bleiben sowohl ein Trink-
geld für das Mädchen als auch der vorgesehene Schlusstitel „Reichlich ist
desMädchensLohn,wäschtsienurmitNeubozon“aus.224
DermehrfacheEinstellungswechsel, ersteVersuche, sich einer einfachenSchnitt-
technik zubedienen sowiedie offensichtlichbeharrlicheAnlehnunganeineTheater-
inszenierungmachenWIENINETTE ZU IHREMAUSGANGKAMzueinemParadebeispiel der
Umbruchzeitzwischen1900und1914.DasKinobefandsichindieserPeriode ineinem
klaren Spannungsfeld zwischen Attraktion und einsetzender Narration.225 Besonders
interessant ist allerdingsdie Entwicklungder Figurenkonstellation.Über dieProtago-
nistin, hier Ninette, findet der Zuschauer gewöhnlich den Zugang zur Geschichte.226
Ihrals Identifikationsfigur stehtdieAntagonistin (Hausherrin) inderKonfliktsituation
gegenüber.Hier dynamisiert jedoch JeandenVerlauf derHandlung. Er ist der „Held“
224 ImSetting fehlt zudemeine zweite, imSkript angeführte, Tür. Siehedazu: FilmarchivAustria
(FAA),KonvolutWIENINETTEZU IHREMAUSGANGKAM,Szenarium.
225 Vgl.: Sierek,WIENINETTE ZU IHREMAUSGANG KAM, Lesemodus „Theoretischer Teil“, Kapitel „At-
traktionundNarration“.
226 Vgl.Heiser,Drehbuch,S. 146. 4.4 WieNinettezu ihremAusgangkam 49
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Title
- Der österreichische Werbefilm
- Subtitle
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Author
- Karin Moser
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Culture of memory, media history, advertising
- Category
- Kunst und Kultur