Page - 106 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
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belangtwerden.ZumeistaberhattedieVerletzungderstaatlichenGesetzeauch
ein Disziplinarverfahren an der Universität zur Folge. So finden sich in den
DisziplinaraktenderUniversitätWien zahlreicheVerständigungendesAkade-
mischen Senats durch die Polizeidirektionen über eingeleitete Ermittlungen.
Zumeist hatte eine strafrechtlicheVerurteilung eine schwereDisziplinarstrafe
zur Folge, da durch das Begehen der strafbarenHandlung durch den Studie-
rendendieEhrederUniversität verletztwurde.NebendiesenFällennormierte
dieProvisorischeDisziplinarordnung, die sichgute 70 Jahrehalten sollte, Fol-
gendes:»Wersichdagegen[Anm.dieakademischenGesetzte]vergeht,wersich
insbesondere auffallender Störungen der akademischen Ruhe und Ordnung
odereinerVerletzungder für Studienzweckebestehenden Institute, Sammlun-
gen, Utensilien schuldig macht, wer durch beharrlichen Unfleiß oder unan-
ständiges Betragen, durch unsittliche oder Ärgernis erregende Handlungen
Anstoß gibt, wer sich Beleidigungen gegen die akademischen Behörden oder
Lehrer oder ihre im Interesse derOrdnungundRuhe einschreitendenOrgane
oder gegen seine Collegen erlaubt, wird nachMaßgabe derGröße seinesVer-
gehens zurVerantwortung gezogen.«18Als Strafen sahdieDisziplinarordnung
bei geringenVergehendieErmahnungundVerwarnungdurchdenDekan, als
weitereStufedieRügedurchdenRektorvordemAkademischenSenateundals
härtestesMittel dieVerweisung vonderUniversität vor.Diese konnte sich auf
einebestimmteZeit (1–4Semester)beschränken,esauchwareineVerweisung
von einer konkreten Universität für immer möglich. Schließlich konnte die
verurteiltePersonvonallenösterreichischenUniversitätenfürimmerverwiesen
werden – diese Disziplinarstrafe konnte nur vomUnterrichtsministerium auf
Antrageiner akademischenBehördeverhängtwerden.19
Im studentischen Alltag waren antisemitische Ausschreitungen und Strö-
mungenanderUniversitätWienkeineSeltenheit.20DieForderungennacheinem
AusschlussbestimmterPersonengruppenvoneinemStudiumander (Wiener)
Universität wurden immer wieder laut. Bereits am 27.November 1918 wurde
vonder»deutschbürgerlichenStudentenschaft«–einem»Zusammenschlußder
deutschnationalen, deutschfreiheitlichen und katholischen Studentenverbän-
de«21 – eine Entschließung an denAkademischen Senat der UniversitätWien
übergeben. Diese forderte die Absicherung des deutschösterreichischen Cha-
rakters der Universitäten und Bevorzugung deutschösterreichischer Studie-
render undLehrender.Damit verbundenwar auchdie Forderung, die »Masse
der Fremdlinge, die sichwährenddesKrieges anunserenHochschulen einge-
18 §4Abs.2Disziplinarordnung1849RGBl416/1849.
19 §14Disziplinarordnung1849RGBl416/1849.
20 Vgl.Posch, StudierendeunddieUniversitätWien inderDauerkrise1918bis1938, 68–71.
21 Jagschitz, EngelbertDollfuß166.
Allgemeines106
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik