Page - 117 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
Image of the Page - 117 -
Text of the Page - 117 -
schenUniversität, denndieswar–mehrnochalsüberhauptdieAbsolvierung
eines Studiums – den finanziell Bessergestellten vorbehalten und der Aus-
landsaufenthalt meist gänzlich in Eigenregie organisiert.52Da zudemdie An-
rechnungder absolvierten Semester – sofern sie nicht an »ausländischenUni-
versitätenmit deutscher Vortragssprache und an allen Schweizer Universitä-
ten«53 zurückgelegt wurden – unsicher undmit bürokratischen Hürden ver-
bunden war, blieb die Mehrzahl der Rechts- und Staatswissenschafter/innen
während des gesamten Studiums an der Universität Wien. Einzig manche
Sommermonate konnten für Auslandsstudien,meist Sprachkurse,mittels Sti-
pendiumfinanziertwerden,wieErichVögelinberichtet,der1921und1922»das
Glück [hatte], über Beziehungen ein Stipendium für einen Sommerkursus in
Oxford zu erhalten.Das formelle Ziel dieses Stipendiumsbestanddarin, Eng-
lischzu lernen.«54
WarenVoegelinundseineKolleg/inn/enindenfrühen1920ernnochgänzlich
von persönlichen Beziehungen abhängig, brachten die folgenden Jahre we-
nigstens Erleichterungen hinsichtlich der Informationsbeschaffung. Denn das
1926gegründetePariserVölkerbundinstitut für geistigeZusammenarbeit (Vor-
gänger derUNESCO) gab alljährlich die StudienführerFerienkurse inEuropa,
AkademischerAustausch inEuropa sowieQuelques ouvrages de r¦f¦rence pour
l’¦tudiant l’¦tranger(einSchriftenverzeichnisüberStudieninEuropaundden
USA) heraus, die im Annex des Wiener Lehrveranstaltungsverzeichnisses
ebensobeworbenwurdenwieAList of International Fellowships forResearch,
herausgegeben von der F¦d¦ration Internationale des FemmesDiplom¦es des
Universit¦s. Außerdemwurde 1934derVereinAkademischerAustauschdienst
Österreichsmit Sitz inderWassergasse 18 imdrittenWienerGemeindebezirk
gegründet55, der in §2 als Vereinszweck festsetzte: »Der Akademische Aus-
tauschdienstÖsterreichs hat zumZiele dieVertiefungen der Beziehungender
AkademikerschaftÖsterreichs zu den studentischenOrganisationen desAus-
52 FriedrichAugustHayek berichtet, dass seine Familie ihn imWinter 1919/20 nachZürich
schickte,weil dieWienerUniversität aufgrunddeshartenWintersundeinesEngpasses an
Heizmaterial füreinigeWochenschließenmusste.AnderZürcherUniversitäthörteHayek
beiFritzFleinerKatholischesundevangelischesKirchenrecht(jeweils freitagsvon11.00bis
12.00Uhr), frequentierteaberauchdiePhilosophischeFakultät,womanihnmitdenIdeen
Moritz Schlicks bekanntmachte, las die Schriften ErnstMachs undbegann, sich für Psy-
chologie zu interessieren. Seinen Unterhalt verdiente Hayek in jenen Zürcher Tagen als
Laborant beimNeurologen undNeuroanatomConstantin vonMonakow. All diese neuen
Eindrücke veranlassten ihn zur SchriftBeiträge zurTheorie der Entwicklungdes Bewusst-
seins, dieerzwarzurück inWienimGeist-Kreisvorstellte,abererst1952alsdieGrundlage
vonTheSensoryOrder.AnInquiryintotheFoundationsofTheoreticalPsychologypublizierte
(vgl. hierzuHayek,HayekonHayek54, sowieCaldwell,Hayek’sChallenge136).
53 §3Abs.5BGBl258/1926,ähnlichauchbereits§2Abs. 7StGBl249/1919.
54 Voegelin,Reflexionen45.
55 Vgl.UAW,SenatS. 164.29.
Stipendien 117
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik