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werdenkann, unddass die Jurisprudenzunddie politischenWissenschaften
erfahrungsgemäß der Verflachung und dem Doctrinarismus anheimfallen,
sobald sie ohnehistorischenAufbauundohneZusammenhangmitdemVer-
gangenen ihreWege zuwandeln sich anschicken.«Trotzdemwollteman»die
Gefahr der Vernachlässigung der praktischen Ziele juristischer Bildung«16
verhindern, was zum Ausbau der judiziellen und staatswissenschaftlichen
Fächerführte.KeineKürzungerfuhrbeiderReform1893dasRömischeRecht,
das mehr Stunden umfasste als Straf- und Strafprozessrecht, Handels- und
Wechselrecht zusammengenommen. Kürzungen gab es bei der Rechtsge-
schichte im Bereich des Deutschen Rechts, dessen Bedeutung aufgrund der
GründungdesDeutschenReichesohneÖsterreichzurückging.HandinHand
damitgingdieEinführungderÖsterreichischenReichsgeschichte(Geschichte
der StaatsbildungunddesöffentlichenRechts) alsObligatfach imerstenStu-
dienabschnitt.17EineweitereNeuerungwar die Einführung der »politischen
Wissenschaften«18alsObligatfachfürdasRechtsstudium.DieStudienordnung
von1855– erlassenmitten inderneoabsolutistischenÄra – sahkeinVerfas-
sungs- undVerwaltungsrecht vor.NachderRückkehrÖsterreichs zumKon-
stitutionalismus wurde die längst fällige Einführung dieser beiden Fächer
durch die Studienordnung 1893 durchgeführt.19Weiters war seit Erlass der
Studienordnungvon1893 eineAnrechnungderRigorosen auf die Staatsprü-
fungenbzw. der Staatsprüfungen auf dieRigorosennichtmehrmöglich.Die
Studienordnung aus 1893war bis zur Erlassungder Studienordnung 1935 in
Österreich inKraft.Näheres zudenStaatsprüfungenunddenBestimmungen
bezüglichdesDoktorats vergleicheweiterunten.
c. Reformversuchebis191820
Bereits zuBeginndes20. Jahrhundertswurdeverstärktnacheinerneuerlichen
ReformdesRechtsstudiumsverlangt.DieseBestrebungenzeigtensichnichtnur
inÖsterreich, wie dasWiener Professorenkollegium der Rechts- und Staats-
wissenschaftlichen Fakultät 1914 bemerkte: »DieÜberzeugung, das Rechts-
studiumalsGanzesreifeeinerUmgestaltungentgegen,isteinmütigineinersehr
umfangreichen LiteraturÖsterreichs, Deutschlands und auch anderer Staaten
zumAusdruck gelangt, einüberzeugendesKennzeichendafür, daßnicht etwa
16 2BlgHH,XI. Sess6.
17 Staudigl-Ciechowicz,Rechtsgeschichte142–144.
18 2BlgHH,XI. Sess8.
19 Schon1872hatteallerdingsdieRigorosenordnungvorgesehen,dass imRahmendesdritten
Rigorosumsauch»Staatsrecht«zuprüfen sei; vgl. dazuunten467.
20 Vgl. ua:Wittmayer, Reform;Vogel, Reform;Hanausek, Neuordnung; Leitenberger,
Studienordnung;Zoll,Reform.
DasStudiumderRechtswissenschaften134
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik