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mißglückte Vorschriften oder allmählich auftretende Übelstände eines be-
stimmten Landes zu einer Studienreform drängen, sondern daß die großen
Änderungender staatlichen, gesellschaftlichenundpraktischenZuständeund
die moderne Entwicklung der Rechts- und Staatswissenschaften sowie neue
EinsichtenindasStudienwesendienacheinerReformtreibendenKräftesind.«21
Bereits 1907 brachte dieWiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Vorschläge bezüglich derÄnderung der Studienordnung ein, Gutachten der
anderen Fakultäten folgten. Alsmit a.h.Handschreiben am22.Mai 1911 eine
KommissionzurFörderungderVerwaltungsreformeingesetztwurde,wareine
ihrer Aufgaben die Reform der rechts- und staatswissenschaftlichen Studien
vorzubereiten.ZudiesemZweckverfasstesieeineSchrift, indersiediebisdahin
eingegangenen bzw. publizierten Forderungen bezüglich des juristischen Stu-
diumsberücksichtigte.
SowurdenalswichtigsteMängeldesRechtsstudiumsgerügt:
»1. UngenügendeKenntnisdespositiven,selbstdesbürgerlichen,insbesondere
aberdesöffentlichenRechtes.
2. Ungenügende juristischeSchulung:mangelndesVerständnisdesoftnurzu
Prüfungszwecken gedächtnismäßig angeeigneten Stoffes, unzulängliche
Fähigkeit, dieRechtssätze anzuwenden.
3. ›Weltfremdheit‹, das heißt Unkenntnis wesentlicher Tatsachen und Ver-
hältnissedesgesellschaftlichenundwirtschaftlichenLebens.
4. Ein bei Juristen doppelt beklagenswerterMangel an allgemeiner Bildung,
insbesondereUnkenntnisderneuestenGeschichteundderWeltlage.
5. Unselbständigkeit des Denkens, Unbeholfenheit des mündlichen und
schriftlichenGedankenausdruckes.«22
Die von der Kommission vorgeschlagene Studienordnung sah ein zumindest
achtsemestriges Studium vor, das sich aus drei Studienabschnitten zusam-
mensetzte. Der Aufstieg in den nächsten Abschnitt setzte die positive Absol-
vierung einer Staatsprüfung voraus. Der Entwurf sah keine gravierendenÄn-
derungen bei den judiziellen Fächern, die den zweiten Studienabschnitt aus-
machten, vor. Bemerkenswert hingegen erscheint dieAusgestaltungdes ersten
(rechtshistorischen)unddritten (staatswissenschaftlichen)Abschnittes:
Sowaren folgendeFächer imerstenAbschnitt vorgesehen:
»1. Einführung in die Rechts- und Staatswissenschaften durch drei Stunden;
2. Gesellschaftslehre (Tatsachen und Theorien des gesellschaftlichen und
wirtschaftlichenLebens)durchdreiStunden;
21 Sperl,Neugestaltung2.
22 AnträgederKommissionzurFörderungderVerwaltungsreform7 f.
Allgemeines 135
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Title
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Authors
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 838
- Category
- Recht und Politik