Page - 35 - in Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Image of the Page - 35 -
Text of the Page - 35 -
Der diplomatische Alltag 35
Kosten erbringen. Ein „höfisch-aristokratische[s] System wechselseitiger Erwartung“139
entstand, das tendenziell einen immer „hungrigen“ Fürstendiener produzierte. Der Fürst
entlohnte die Leistung seines Hofamtsträgers, allerdings stand es dem Fürsten frei, wann
er diese Dienste entlohnen würde. Die Inhaber von Hofämtern waren daher strukturell
hoch anfällig für Geldgaben und andere Geschenke – heute wohl als Korruption und Be-
stechung rubriziert. In moderner Begrifflichkeit lässt sich Bestechung zur Informations-
beschaffung als „eine Grundfigur politischer Kommunikation“140 in der Vormoderne be-
greifen, eine strukturelle Reziprozitätsbeziehung zwischen Patron und Klientel, aber auch
Informationsgeber und -nehmer ist damit benannt. Ein Gesandter an einem fremden Hof
musste sämtliche Funktionsträger des Hofes, der Zentralverwaltung, aber auch die bür-
gerlichen und unterbĂĽrgerlichen Hofbediensteten, mit denen er zeit seiner Gesandtschaft
kooperierte, in einem angemessenen Rahmen beschenken. Die vom Gesandten geschenk-
ten Gaben standen zu den geleisteten und vom Gesandten erwarteten Diensten in einem
wechselseitigen Verhältnis. Der wichtige sächsische Kameralist und Zeremonialwissen-
schaftler Julius Bernhard von Rohr (1688–1742) erteilte etwa den Ratschlag, die Ge-
sandten ausreichend mit Geldmitteln fĂĽr ihre Dienstreise auszustatten, damit diese sich
„durch Beschenkungen und Pensionen gute Freunde unter denenjenigen […] verschaffen,
die alda in gutem Ansehen stehen. Wenn diese Ausgaben wohl angewendet werden, so
bringen sie dem Fürsten, der solche hergiebt, mit reichem Wucher Nutzen, und räumen
die meisten Schwürigkeiten aus dem Wege“141. Geschenke galten als politisches Mittel der
Staatsklugheit und Diplomatie sowohl auf Ebene der Regenten, aber auch der diplomati-
schen Delegationen generell142. Delegierte aus dem bĂĽrgerlichen Stand, die aufgrund ihrer
ständischen Differenz in der Welt der Gesandten und Diplomaten einen deutlich schwe-
reren Stand hatten, mussten hier vermutlich vermehrt Geld in dieses System höfischen
Gabentausches einbringen.
139 Stollberg-Rilinger, Zur moralischen Ă–konomie des Schenkens 193.
140 Grüne, Ansätze und Blickpunkte historischer Korruptionsforschung 31–34.
141 Zitiert nach Stollberg-Rilinger, Zur moralischen Ă–konomie des Schenkens 199.
142 Falcke, Geschenkwesen 62–66.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen