Page - 47 - in Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Image of the Page - 47 -
Text of the Page - 47 -
Wichtige Themen von Andermüllers Mission 47
sichs nun, daß an deßen stelle wiederumb ein erfahrner, hurtiger und gerechtigkeitsliebender
referent kommet, so wäre dann zu hoffen, daß die sache dereinsten in besten gang gebracht
[…] werden möchten. Man hat es auch mehrmals den herrn reichshoffräthen vorgestellet, daß
gleichwohl die vortreffliche beweißthümer des durchleuchtigsten anhaltischen hauses gegen das
hauß Braunschweig Lüneburg, so nicht den geringsten titulum possessionis anzeigen, noch we-
niger beweiß führen könne, in consideration zu ziehen199. Andermüller selbst sollte freilich
die Angelegenheit nicht mehr weiter vorantreiben können, da er im November dieses
Jahres Wien verließ.
Ein zweites Hauptfeld Andermüllers am Wiener Hof war die Auseinandersetzung
mit den sachsen-lauenburgischen „Erbprinzessinnen“, wobei vor allem die mit Markgraf
Ludwig Wilhelm von Baden verehelichte Maria Sybilla Augusta (1675–1733) in Wien
äußerst aktiv war. Während der Gesandtschaft Andermüllers machten immer wieder Ge-
rüchte die Runde, dass Sachsen-Lauenburg entweder ganz oder nur das Land Hadeln den
lauenburgischen Erbprinzessinnen übermacht werden sollte. Im Dezember 1701 berich-
tete Andermüller aus Wien an Anhalt, dass hier das gerichte [Gerücht] erschollen, als solte
das land Hadeln denen sachsen lauenbugischen erbprinczepinnen eingeräumet werden200. Die
Anhalter Fürsten suchten ihre Position in Wien beim Reichshofrat zu stärken, indem
ein gemeinsames Vorgehen des Hauses Anhalt mit den lauenburgischen Prinzessinnen
zwar immer wieder geplant wurde, aber wohl aus gegenseitigem Misstrauen nach einigen
Vorgesprächen der Gesandten nicht zur Ausführung kam201. Es sei bedauerlich, daß aus
der intendirten und mehrmals in erwegung gezogenen bereinig- und zusammensetzung contra
summam domum luneburgicam nichts geworden ist202.
Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges kam auf Andermüller noch die neue Aufgabe
zu, eine Reduktion des anhaltischen Beitrages zur Reichskriegsverfassung durchzusetzen.
Nach vielen Interventionen und intensivem Antichambrieren konnte der Dessauer Ge-
sandte im März 1703 erreichen, dass dem Haus Anhalt ein dritter theil von jezigen er-
höheten matricular contingent erlassen worden, und also die übrige 2 theil an mannschafft
förderlichst zu stellen seyn wurden203. Als Andermüller im November 1703 nach mehr als
vier Jahren als Gesandter abberufen wurde, gab er seinen fürstlichen Auftraggebern den
Ratschlag, dass nicht unbedingt sofort ein neuer Gesandter berufen wurden müsse, weil
die Nachfolge Andlers noch nicht geklärt sei. Es geschehe eines oder das andere, so wird doch
das durchläuchtigste hauß Anhalt eines wol geübten Abgesandten in Wien nöthig haben, so
dergleichen schrift zu eintreibung des adversarii recht ausarbeite, welches nicht eines jeden
talent ist und es biß dahero fast daran ermangelt hatt204.
tanti viri in pace, der gewiß von großer, unverdrosner mühe und arbeit gewesen, welche ihm auch nicht sonderlich
schwer angekommen, und ist die gnade des gebers in solchen vortrefflichen mit sonderlichen donis ausgerüsteten
leuten alle zeit zu preisen. Zu modernen Wiener Straßennamen sehe etwa https://www.wien.gv.at/stadtplan/
(mit Suchfunktion).
199 „Finalrelation“ Andermüllers Ende 1703, LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b.
200 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10a, 143. Relation vom 14. November 1701; 144. Relation vom 21. Dezember
1701: In meiner vorigen unterthänigsten habe bereits gemeldet, daß damahls ein bruit (französ. für „Gerücht“) hier
entstandenn, als sollte denen durchlauchtigen sachßen-lauenburgischen erbprinzeßinnen oder in dero nahmen des
herrn marggraffen zu Baden durchlaucht das land zu Hadeln eingeräumet werden.
201 Andermüller erhielt sogar im März 1702 für das gemeinsame Vorgehen mit den lauenburgischen Erb-
prinzessinnen eine neue Instruktion, LASA, Z 44, B 5, Nr. 39, Bd. 1.
202 „Finalrelation“ Andermüllers Ende 1703, LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b.
203 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b, 210. Relation vom 4. April 1703.
204 „Finalrelation“ Andermüllers Ende 1703, LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen