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Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
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50 Antichambrieren, Netzwerken und das Verfassen von Relationen Der vormahlige spannische ambassadeur, so noch von könig Carolo IIo an den keyserlichen hoff ohnlängst vor seinen ableiben anhero gesendet worden, hat sich genöthiget befunden, nach erfolgter confiscirung aller seiner güter in Spanien die keyserliche protection alhier zu suchen219. Die Anhalter Fürsten hatten Interesse an Nachrichten aus der „großen“ Welt, das Ander- müller vor allem im „Abspann“ seiner Relationen immer wieder zu bedienen suchte. So berichtete er über den Handstreich von Cremona (cremonische ballfestin) vom 1. Februar 1702, als die Stadt Cremona durch des prinz Eugenius durchleuchtigste bravoure und un- vergleich kühnen einbruch in selbiger stadt übergesegnet worden220. Der Rákóczy-Aufstand in Ungarn fand immer wieder Beachtung in der Anhalter Korrespondenz, darunter auch die Festnahme von Franz II. Rákóczy. Von der vorgewesenen großen conspiration in Un- garn (wieder ihre kaiserliche und königliche mayestäten, auch ganzes erzhaus) wird soviel und mancherley hier geredet, daß man noch zur zeit den eigentlichen grund und wahre bewandt- niß nicht erfahren kann. Des fürsten Ragotzi frau gemahlin durchlaucht ist vor 4 tagen per posta aus Hungern hier angekommen, umb vor ihren herrn ehegemahl bey ihrer kayserlicher mayestät bittlich zu intercurriren221. Auch die geglückte Flucht Franz’ II. Rákóczy Ende 1701 aus dem Nordwestturm der Wiener Neustädter Burg wird als eine Art Eilmeldung an die Anhalter Fürsten weitergeleitet222. Die Reaktionen des Wiener Hofes auf das am 19. März 1702 erfolgte Ableben des englischen Monarchen Wilhelm III., dessen Tod die Große Allianz im Spanischen Erbfolgekrieg gefährdete, meldete Andermüller ebenso rasch weiter. Die unvermuthete betrübte nachricht von des unvergleichlichen könig Wilhelms in Engeland ableben, so gestern morgen hier eingelauffen, hatt am hoffe große alteration er- wecket. Ihre kaiserliche mayestät regrettiren diesen todesfall mit eüßerster wehmütigen emp- findlichkeit und mann sagt zu hoffen, daß wann auch eine hauptbataille verloren worden, es nicht so viel bekümmmernüß und leydwesen verursachet haben könnte223. Schließlich werden auch Nachrichten über die konfessionellen Verhältnisse in der Residenzstadt Wien aus- getauscht. Es erschien Andermüller erwähnenswert, dass die reformierten Gesandten in Wien weitgehend ungestört Gottesdienst abhalten konnten224. Nur selten erhalten die Anhalter Fürsten Nachrichten über den „Privatmann“ Ander- müller, meist finden sich diese Nachrichten mit Geldforderungen des Wiener Gesandten vermischt. Andermüller wohnte in Wien recht kostenintensiv beim Residenten Julius Per- troupp kaiserlicher soldaten, so dem ambassadeur zur wache zugegeben und nach diesen desselben hauß hoffmeister zu pferde samt unterschiedlichen andern reitenden türcken und bey herr gehenden dienern, ferner 17 camele und 9 maulthiere mit denen praesenten beladen. […]. – Die Gesandten der Hohen Pforte stiegen damals im Gasthof „Zum Goldenen Lamm“ in der Leopoldstadt (heute: Wien II, Praterstraße 7/Taborstraße 6) ab, vgl. Perger– Petritsch, Lamm 152‒159, 162. 219 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b, 211. Relation vom 11. April 1703. 220 LASA, Z 87, XXI, Nr. 9, 153. Relation vom 22. Februar 1702. 221 LASA, Z 87, XXI, Nr. 9, 112. Relation vom 11. Mai 1701. 222 LASA, Z 87, XXI, Nr. 9, 141. Relation vom 30. November 1701: Der hauptmann Lohmann, so den fürst Ragotzi durch seinen bruder, den cornell Lohmann (der auch mit dem fürsten sich davon gemachet und auff Neusidel gekommen, von dar […] vermutlich nach Pohlen gegangen), fortgeholffen, wirdt nechster tagen von Neü- stadt anhero gebracht und auf die folter geworffen werden, um noch mehrers dinge von ihme auszupreßen. 223 LASA, Z 87, XXI, Nr. 9, 160. Relation vom 12. April 1702. 224 LASA, Z 87, XXI, Nr. 7, 13. Relation vom 6. Juni 1699: Der kurbrandenburgische Gesandte in Wien wird den gottesdienst in seinem logement mit eben der freyheit als der kayserliche envoyé zu Berlin alhier halten laßen, wozu er mich dann morgen des pfingsttages auch eingeladen hat, wie wohl man es sonsten bishero noch nie- manden alß königlichen freyen republiquen gesandten gestattet, der holländische selbst auch ehemalß von den pöfel desfalß große ungelegenheit wegen des lauten singens gehabt und bishero nur bloßer dinges ohne gesang die predigten halten läßet.
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Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Title
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Authors
Ferdinand Opll
Martin Scheutz
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20856-3
Size
16.9 x 23.9 cm
Pages
212
Keywords
History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
Categories
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