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56 Die AndermĂĽllersche Wien-Vogelschau von 1703
Bau im Osten angebaute Valentinskapelle sind hier zu sehen – der Neubau war eben
bereits im Gange243. In Summe finden sich 24 Kirchen und Ordenshäuser sowie acht
Kapellen auf der Darstellung, eine Zahl, die freilich von den in der Vogelschau vermerk-
ten Adelspalais und adeligen Gebäuden bei Weitem übertroffen wird. Neben sechs in der
Verfügung des Kaisers befindlichen Gebäuden werden nämlich nicht weniger als 40244 in
adeligem Besitz stehende Baulichkeiten, Häuser wie regelrechte Palais, in der Vogelschau
vermerkt.
Bei der Darstellung der kaiserlichen Burg, und zwar von deren Kernbereich, dem heu-
tigen Schweizerhof, ist AndermĂĽllers Darstellung gleichfalls recht genau und geht sogar
ĂĽber die Darstellung bei Hoefnagel, gleichfalls einer Ansicht von Norden her, hinaus. Sie
zeigt nämlich den auf den älteren Plandarstellungen nur bei Bonifaz Wolmuet (1547)
erkennbaren Wendeltreppenturm am SĂĽdwesttrakt, an der inneren Hoffassade des parallel
zur Stadtmauer gelegenen Bauteils der Kernburg245.
Die Einbeziehung einer Reihe anderer Gebäude in das von Andermüller gebotene
Stadtbild Wiens spiegelt sicherlich Interessen und Erfordernisse wider, die sich aus seinem
Amtsauftrag oder auch aus seiner privaten LebensfĂĽhrung in der Kaiserstadt ergaben.
Hervorgehoben werden etwa die Spanische Botschaft, die Päpstliche Nuntiatur, aber auch
die für die Unterbringung der Diplomaten wichtigen Gasthäuser, darunter der Gasthof
zu den drei Hacken in der Renngasse, das Haus „Zum Schwarzenthor“, wo seit 1660 ein
Weinausschank nachzuweisen ist, oder das Stadtgasthaus in der Mehlgrube am Neuen
Markt246. Auch die Eintragung des Palais Rabutin in der RotenturmstraĂźe 4/Ecke Woll-
zeile 1, wo Gräfin Dorothea Elisabeth Rabutin um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhun-
dert für ihre Soireen berühmt war247, könnte vielleicht darauf hinweisen, dass ihm dieses
in der Stadtgesellschaft bestens bekannte Palais zumindest ein Begriff war. Und beinahe
selbstverständlich ist es, dass die für seine Tätigkeit absolut unersetzliche Post auf der Vo-
gelschau eingetragen wird248.
SchlieĂźlich ist unter den Elementen der Darstellung auch auf Objekte aufmerksam
zu machen, die man vielleicht als Vertreter eines barocken „Stadtmobiliars“ zusammen-
fassen könnte. Es geht im Wesentlichen um Brunnen und um Denkmäler, die zwar auf
der Vogelschau mit einer einzigen Ausnahme, nämlich dem seit der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts nachweisbaren „Schönen Brunnen“ vor dem nach ihm benannten
243 Zur Wiener Peterskirche vgl. immer noch Perger–Brauneis, Die mittelalterlichen Kirchen 17‒26;
Polleross, Geistliches Zelt- und Kriegslager.
244 Und zwar die Häuser der folgenden Familien (siehe unten Anhang 2, S. 135–161): Abensberg-Traun
(Graf); Batthyány (Graf); Caprara (Graf); Corbelli (Graf); Czernin (Graf); Dietrichstein (Fürst Ferdinand);
Dietrichstein (Graf Ferdinand Gundacker); Dietrichstein (Graf Philipp); Esterházy (Palatin); Flasching (Graf);
Fondi (FĂĽrst von, Graf Mansfeld); Hamilton (Graf); Harrach (Graf); Hoyos (Graf); Kaunitz (Graf); Lamberg
(Graf); Liechtenstein (FĂĽrst Adam); Liechtenstein (FĂĽrst Johann Adam Andreas); Mollard (Graf); Montecuc-
coli (Fürst); Pálffy (Graf); Polheim (Graf); Porcia (Fürst); Questenberg (Graf); Rabutin (Graf); Rosenberg
(Graf); Sachsen-Zeitz (FĂĽrst, zugleich Bischof von Raab); Savoyen (Prinz); Schwarzenberg (FĂĽrst); Sinzendorf
(Graf Theodor); Starhemberg (Graf); Strattmann (Graf); Traun (Graf Ernst Otto); Trautson (Graf); Trautt-
mannsdorff (Graf Franz); Wagensperg (Graf); Wallstein/Waldstein (Graf Karl); Windischgrätz (Graf); Zinzen-
dorf (Graf). – Dazu tritt als Nr. 40 das in der Legende nicht eigens ausgewiesene, aber im Besitz der Familie
Hoyos stehende Gebäude Teinfaltstraße 2/Schottengasse 1, das in der Vogelschau die in der Legende fehlende
Signatur Ff trägt, siehe unten Anhang 2, S. 160f. Nr. 121.
245 Mitchell, Der Baubestand 407f.
246 Zu diesen drei Gaststätten siehe unten im Anhang 2 (S. 143f. und 157), Nr. 31, 97 und 101.
247 Siehe dazu die Erläuterungen unten Anhang 2 (S. 154), Nr. 84.
248 Siehe dazu unten Anhang 2 (S. 153f.), Nr. 81.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen