Page - 63 - in Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
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9. AndermĂĽllers Wien-Plan als Visualisierung seines
höfisch-politischen Netzwerkes
Karten lassen sich als erkenntnisfördernde Werke verstehen, die helfen, unbekannte
Regionen zu erschlieĂźen und fĂĽr den Betrachter zu deuten. Einerseits stellt die Vogelschau
AndermĂĽllers Wien als eine Festungs- und noch mehr als eine Residenzstadt im Sinne
eines bildlichen ReisefĂĽhrers vor. Neben den Basteien und der damals bereits deutlich er-
weiterten Wiener Hofburg findet andererseits aber auch das diplomatisch-politische Netz-
werk der Stadt Eingang in sein Kartenbild. AndermĂĽller deutet Wien somit nicht nur als
höfische und kirchliche Metropole, sondern verdeutlicht auch die Bedeutung der Stadt
fĂĽr die obersten Reichsinstitutionen, wie den Reichshofrat und die Reichshofkanzlei, zu-
gleich die Zentralverwaltung der zusammengesetzten Habsburgermonarchie, vor allem
die Geheime Konferenz und deren Mitglieder um 1700. Auch die Inhaber der obersten
Hofämter des Wiener Hofes finden sich als ausgewiesene Nummern oder Zahlen in der
Legende wieder.
Andermüller versuchte das politische System der Spätzeit Leopolds I. in sein Karten-
bild zu integrieren, die Geheime Konferenz, die Zentral- und Hofbehörden des Kaisers
spielten fĂĽr ihn eine zentrale Rolle.
(1) Die Geheime Konferenz war das oberste Beratergremium Leopolds I., das ihn vor
allem bei außenpolitischen Fragestellungen beriet. Die Mitglieder der „kaiserlichen Con-
ferenz“ werden auch in den Hof-Schematismen genannt, so finden sich im Exemplar von
1704 die Namen von Ferdinand Bonaventura von Harrach (1636–1706), Wolfgang von
Oettingen-Wallerstein (1629–1708), Johann Quintin von Jörger (1624–1705), Johann
Franz von Würben (1634–1705), Heinrich Franz von Mansfeld-Fondi (1641–1715),
Karl Theodor Otto von Salm (1645–1710), Dominik Andreas von Kaunitz (1655–1705)
und Julius Friedrich Bucellini (1639–1712). Die ebenfalls mit der Konferenz in Zusam-
menhang gebrachten Namen von Anton Florian von Liechtenstein (1656–1721), Johann
Friedrich von Seilern (1645/46–1715) und Georg Adam von Martinitz (1645–1714)
fehlen dagegen im Schematismus. Die Geheime Konferenz als „Rat der Alten“265 kon-
stituierte sich aus den Vorsitzenden der verschiedenen Gremien der Zentralverwaltung
und aus den obersten kaiserlichen, aber auch erzherzoglichen Amtsträgern, wobei die
Berufung in die Geheime Konferenz durch den Kaiser ad personam erging und kein Au-
tomatismus – etwa der Präsident des Hofkriegsrates als zwangsläufiges Mitglied der Ge-
heimen Konferenz – griff. Viele der Teilnehmer der Geheimen Konferenz versahen im
Regelfall nach ihrer Kavalierstour eine Stelle im Reichshofrat, avancierten dann in den di-
plomatischen Dienst und kehrten im „höheren“ Alter zwischen 50 und 60 Jahren in eine
265 Sienell, Die Geheime Konferenz 219.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen