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102 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der FrĂĽhen Neuzeit
das Karlsruher Exemplar458 dies weiter nach Norden bzw. Nordwesten bis vor das Wer-
dertor fortsetzt.
Ohne dies mit weiteren Plandarstellungen belegen zu können, ist doch davon auszu-
gehen, dass sich die neuerliche Aufsiedlung des Wiener VorstadtgĂĽrtels bis gegen Ende
des 16. Jahrhunderts nur äußerst langsam entwickelte. Wiewohl Ferdinand I. hier bereits
1531 mittels einschlägiger Befehle versuchte, den Wiederaufbau abgebrannter Häuser
wieder in Gang zu bringen, sah man den gesamten vorstädtischen Bereich ab nun, nicht
anders als dies im Hinblick auf die Befestigung der eigentlichen Stadt der Fall war, in
erster Linie unter den übergeordneten Aspekten einer möglichst effizienten Verteidigung
Wiens459. Ganz besonderes Augenmerk war dabei auf den Bereich nördlich der ummau-
erten Stadt, jenseits der Donau (heute: Donaukanal) unter Einschluss weiter Teile des
hier sich ausbreitenden Inselgebietes gerichtet. Aus dem Jahr 1569 erfahren wir, dass da-
mals vonseiten des Militärs – federführend war Hofkriegsrat Franz von Poppendorf460
– ein ausgesprochen großes Projekt in Diskussion stand, nämlich: die Umsiedlung der
gesamten Vorstädte in diesen Inselbereich461. An derartigen Plänen hielt man in gewisser
Weise auch in der zweiten Hälfte der 1570er Jahre noch fest. Damals legte der italienische
Festungsspezialist Carlo Theti sowohl fĂĽr den westlich vor der Stadt am linken Ufer des
Ottakringer Baches (Zug der heutigen Neustiftgasse) gelegenen Bereich, annähernd par-
allel zum Bachverlauf und auf der Anhöhe in Richtung zum Wienfluss, als auch nördlich
der Stadt im Unteren Werd Vorschläge für neue Befestigungen vor462. Wiewohl weder das
eine noch das andere Vorhaben realisiert wurde, sollten sich Ăśberlegungen zur Errichtung
neuer Befestigungen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts dann von neuem auf den Bereich
im Inselgebiet der Donau konzentrieren463.
Weiter abseits der Stadt, in den Zonen, die nach der Errichtung des Linienwalls
(1704) als die „Vororte“ bezeichnet wurden und heute als die sogenannten „äußeren Be-
zirke“ Wiens außerhalb der Gürtelstraße gelten, wissen wir selbstverständlich gleichfalls
von Schäden und Zerstörungen im Gefolge der osmanischen Belagerung. Was aber in
diesem Bereich ganz offenkundig einen relativ frĂĽhen Anlass fĂĽr eine Erholung und ein
Wiederaufleben bot, das waren die hier gelegenen Sitze des Adels, dabei insbesondere
diejenigen in Händen protestantischer Adelsfamilien. Zu diesen Sitzen zählten etwa das
unter der Herrschaft der Jörger stehende Hernals (Abb. 20)464, aber auch weiter ent-
fernte Plätze, darunter im Süden Vösendorf und Rodaun. Diese Adelssitze gerieten nicht
zuletzt wegen der hier lange Zeit hindurch möglichen Teilnahme an lutherischen Got-
tesdiensten verstärkt in den Blick der protestantischen Teile des Wiener Bürgertums.
Bekannt ist das Phänomen des sogenannten „Auslaufens“. Dabei wohnten an Sonn- und
Feiertagen die betreffenden Teile der Stadtbewohnerschaft der Messe nicht mehr in der
458 Siehe unten Anhang 3, S. 163 Nr. 5.
459 Vgl. dazu jetzt Opll–Krause–Sonnlechner, Wien als Festungsstadt 147–158.
460 Zu ihm vgl. die Hinweise bei ebd. 42f. mit Anm. 100.
461 Zu diesem Projekt vgl. ebd. 239–250.
462 Vgl. dazu Mollo, Carlo Theti 128‒132 mit den Abb. 17–18.
463 Siehe dazu unten S. 107.
464 Hernals stand während des 16. Jahrhunderts und bis 1620 im Besitz der Familien Geyer von Osterburg
und dann (ab 1587) Jörger von Tollet, vgl. dazu die Art. Hans Geyer und Jörger. Wien Geschichte Wiki. Aus
der Zeit um 1580 hat sich im Germanischen Nationalmuseum NĂĽrnberg eine ausgesprochen bemerkenswerte
kolorierte Federzeichnung mit Ansichten der Pfarrkirche, des Schlosses (bezeichnet als Sahl) und des Pfarrhofes
von Hernals erhalten, siehe dazu: http://objektkatalog.gnm.de/objekt/HB1910 (Hinweis von Heike Krause,
Stadtarchäologie Wien, Wien Museum). Abgebildet ist diese Ansicht auch in: Krause et al., Hernals, 94.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen