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11. Resümee
Erneut540 ist es ein von der bisherigen Wien-Forschung unbeachtet gebliebenes kar-
tographisches Werk, das in sorgfältiger Analyse und Auswertung einen in vieler Hinsicht
neuen, in jedem Fall ungleich detaillierteren Einblick in die Wiener Stadtentwicklung,
hier an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, anderthalb bis zwei Jahrzehnte nach
der Zweiten Wiener Türkenbelagerung möglich macht. Dabei ist der so gerne verwendete
Entwicklungsbegriff vielgestaltig zu verstehen, d. h. es geht nicht bloß um die Verände-
rung von Topographie und Stadtbild, auch der politische, soziale und kulturelle Wandel
sowie die künstlerische Neuformung der städtischen Welt schlägt sich hier nieder, wird
besser zu fassen und zu verstehen.
Erneut geht es auch um ein Plädoyer für die intensivere Nutzung bildlicher Überlie-
ferungen, die bei aller Distanz zur Realität bei sorgfältiger Interpretation und vor allem
in der Zusammenschau mit der anderen Überlieferung eben doch eine weitaus eindrück-
lichere Rekonstruktion des Vergangenen bzw. einen höheren Grad von Annäherung an
diese zulässt.
Und erneut wird klar, wie wichtig es ist, Bildzeugnisse wie Karten, Pläne und Ansich-
ten in ihrem Entstehungskontext zu sehen und zu begreifen. Erst dabei wird deutlich, wie
wenig es bei diesen Bildwerken darum ging, ein exaktes Abbild der Realität darzubieten,
gar einem Interessierten die Orientierung im Gewirr städtischer Straßen und Verbauung
zu ermöglichen, und wie viel wichtiger oft völlig andere Intentionen bei der Entstehung
derartiger Überlieferungen waren. Dies lässt sich am Beispiel der auf Wien bezüglichen
Bildwerke augenfällig aufzeigen: So war es der Festungsbau, dem sich die frühen Wiener
Stadtpläne des 16. Jahrhunderts in erster Linie widmeten und dem sie letztlich ihre Ent-
stehung verdankten. Stadtpläne des 17. Jahrhunderts, wobei selbstverständlich zwischen
gedruckten und handgezeichneten Werken zu trennen ist, fokussierten weiterhin deutlich
auf die städtischen Befestigungen, doch gab es bereits auch Pläne, die vorwiegend oder
doch zusätzlich administrativen Zwecken dienten (Schlierbach-Plan, Suttinger-Plan).
Die Ausweitung des Blicks der Kartographen über den ummauerten Stadtbereich hin-
aus in die Vorstädte sollte zunächst ebenfalls aus Gründen des Ausbaus von vorgelager-
ten Befestigungslinien erfolgen (Priami-Plan, Herstal-van Ghelen-Plan), ehe 1706 dann,
ebenfalls von Militärkartographen hergestellt und maßgeblich von der Errichtung des
Linienwalls zwei Jahre zuvor angestoßen, mit dem Anguissola–Marinoni-Plan das erste
Planwerk vorgelegt wurde, welches das vorstädtische Umland der Stadt gleichberechtigt
einbezog. Noch bis in die Zeit um 1740 besaß der Plan der beiden Italiener in habsbur-
gischen Diensten Vorbildwirkung, wurde dann freilich insbesondere dafür genutzt, die
in der Zwischenzeit entstandenen Neubauten entsprechend ins (Karten-)Bild zu rücken.
540 Opll–Scheutz, Schlierbach-Plan.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Title
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Authors
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen