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Vatthyiny, Ludwig Graf (Premier
im ersten Ministerium der ungar. Revo-
lution 1848, geb. zu Preß bur g 1809,
erschossen zu Pest am 6. Oct. 1849).
Verlor früh feinen Vater, und wurde
noch im zarten Alter Soldat. Al« solcher
kam er nach Italici!, wo sein verwildertes
Gemüth unter dem südlichen Himmel
sanft zu werden, und sein Verstand zu
reifen begann. Bald verließ er seinen
Stand, eilte, 21 Jahre alt, nach der
Heimat, und nahm, nachdem er seinen
Proceß gegen die verschwenderische Mut-
ter gewonnen, seine Güter iu Besitz. Die
Bekanntschaft mit dem gelehrten Pro-
fessor Ne uro h r blieb für den Grafen
nicht ohne Einfluß; er verlegte sich auf
das Studium der deutschen und franzö-
sischen Literatur, pflegte später Geschichte
und endlich Staatswissenschllste». Nu»
besuchte er auch die Comitatssitzuugeu
und nahm Antheil au deu öffentlichen
Angelegenheiten. Zum erstenmal trat er
öffentlich nach der polnischen Revolution
als Mitglied jener Lomitats-Gesandtschaft
auf, welche den Kaiser aufforderte, die
Polen zu unterstützen. Nach seiner Hci-
illth mit der Gräfin Antonie Zichy be-
reiste er mit derselben beinahe ganz Eu-
ropa. Nach seiner Rückkehr führte er
bald zu Wien, bald zu Ikervar ein auf-
wandvolles Leben. Er ließ eine Zucker-
fabrik errichten, uud nach dem Beifpiele
des GrafeuSt.S z e ch e n y i 50,000 Maul-
beeibäume aupflanzen, dabei beschäftigte
er sich immer mehr mit der Politik des
Vatcvlandes, erlcrntc nun auch gründlich
die ungarische Sprache, die er bisher nur
gebrochen sprach. Auf dem Laudtage 1838
erschien er bei der Tafel bci höher»
Staude. Seine erste Rede war von so!-
chem Erfolge begleitet, daß B. von dieser
Zeit an aufhörte, ein Bewohner Wiens
zu fein, und nach Pest übersiedelte. Szé-
chenyi bemühte sich, ihn für die Regie-
rung zu gewinnen. Anfänglich verdammte B. die Rede-und Schreibweise K o s f u t h s,
und nannte ihn einen nach Geld und
Ruhm strebenden Proletarier. Als aber
B. zum Präses de« Industrie-Vereines
gewählt worden, trafermitKossuth per-
sönlich zusammen, und nahm ihn alsbald
zu seinem Verbündeten. Nun setzte er
für den Landtag 1847, trotz aller Gegen-
anstreuguiigen dessen Wahl als Abgeord-
neten des Peslher Comitales durch. Als
nack> dem Tobe des Erzherzog Palatin
Joseph der größere Theil des Landes
seineu Sohn Stephan zum Nachfolger
wünschte, war V. auf der Seite der Geg-
ner. Daß B. in den Mäiztagen des I.
1848 die Stelle des Premiers im ungar.
Ministerium anuehmen mußte, war das
Ergebniß des ihm vorangegangenen poli-
tischen Rufes. Als B. die Zügel der Re-
gierung übernahm, trat er energisch auf,
und soll anläßlich der tumultuarischen
Szenen, welche in Pesth stattgehabt, sich
geäußert haben: „wenn die stad! (Pesch)
nicht Ordnung hält, 5» iassl ich sie u»n Ole«
herüber in Trümmer zchiessen," Die ersten
Monate verliefen ohne große Störung,
am 4. Juli trat der Reichstag zusammen;
von der Ende Juli zugleich mit Erzher-
zog Palatin Stephan nach Wien unter-
nommenen Reise, in Folge welcher Erz-
herzog Johann als Friedensstifter die
mittlerweile ausgebrochenen cioatischen
Wirren schlichten sollte, kehrte B. mit dem
Palatin erfolglos zurück. Die Parteien
im aufgeregten Lande begannen sich be-
reits anzufeinden, als am 15. Sept. das
Ministerium abdankte uud B. vom Erz»
herzog Palatin den Auftrag erhielt, ein
neues Cabinet zu bilde». Der Van stand
bereits nahc au Pcsth, uud Graf Lam-
berg war als königlicher Commisfäi nach
Pesth abgesandt worden. Batthyány
fuhr nuumehr ins »ngarifche Lager, und
schloß mit dem Banus den Waffenstill-
stand ab, von welchem Augenblicke B.
aller Popularität «erlustig, Kossuth
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Abel-Blumenthal, Volume 1
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Abel-Blumenthal
- Volume
- 1
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1856
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.18 x 19.61 cm
- Pages
- 506
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon