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I l leshäzy genügle nttd er schlug den
glänzenden Autrag ans und entschloß sich
nach Ungarn zu gehen. Bis dahin hatte er
von ungar. Mnsik keine Idee. Eine kurze
Zeit blieb er in Preßburg alsCapellmeisier,
dann ging er nach Pesth. Während seines
Aufenthaltes in Pesth kam er einmal auf
Besuch zum Fürsten Grassalkovich nach
Gödöllö, wo er mit dem feiner Zeit be-
rühmten Claviervirtnosen, dem Grafen
Amad6 Duo's spielte. Hier trug eines
Tages der Fürst der ungarischen Musi<
kanten, derZigeunerBihari (s.d.I. Bd.
S. 394), die Tafelmusik vor. Als C.
diesen spielen hörte, brach er in Thränen
aus, uahm Abschied von der deutschen
Mnsik, deren hervorragender Vertreter
er bis dahin gewesen war, und widmete
sich ausschließlich der ungarischen Musik.
Unter der Leitung Lavotta's, eines an-
dern berühmten ungarischen Musikers,
dem er sich sogleich anvertraute, wurde
er binnen wenigen Jahren ein Compo-
siteur nnd Spieler ungarischer Weisen,
der nach dem Aussprnch des größten Ken-
ners ungarischer Musik und ihrer Ge-
schichte, des Maltheserritters Grafen Ste-
phan Fay, seinesgleichen niemals hatte
und schwerlich haben wird. Kanm gab es
cine hervorragende Familie, kaum ein
Fest in Ungarn, wohin C. nicht geladen
wurde. DieEßterhazy's, Orassal-
kovich, Karolyi, Illeshäzy, Bar-
koczi, Szt5rai,Pä.lffy und viele An-
dere wetteiferten, ihre Feste durch C.'s
Spiel zu verherrlichen. In Erlaü, wo-
hin er vom damaligen Erzbischof eingela-
den wurde, verliebte er
sich in eine hoch-
geborne Dame, die seine Liebe nicht erwie-
derte, und das war der erste Schlag, den
sein Gemüth erlitt. Indeß gab ihm die
Dame doch eine unbestimmte Hoffnung
und C. zog sich nach Izsip (Zempliner
Comitat) zurück, wo er bei Ioh. v. Roly
4 Jahre lebte, uud seine schönsten Compo-
sitionen schrieb. Nach diesen vier Jahren näherte er sich wieder dem Gegenstände
seiner Liebe, wurde aber jetzt entschieden
zurückgewiesen. Dieser Schlag traf ihn
unheilvoll; er wurde melancholisch und
endlich wahnsinnig. In diesem Zustand
irrte er von Dorf zu Dorf, von einem
Orte Ungarns in den andern und schrieb
bald da, bald dort schöne ungarische Wei-
sen, die aber leider größtentheils verloren
gingen. Oft schrieb er seine schönsten
Compositiouen in irgend einer Scheute
oder Hirtentanya, zuweilen wieder in
den Salons hochgestellter Personen. Oft
wurde er bei dein berühmten Compositeur
Ruzsitska in Beßprim, bei den Zigeu-
nern Radits, Marci und dem alten
Patikärius, bei dem Prälaten Zazio
zu Iaßo und bei hervorragenden Fami-
lien Obernngarns gesehen. Noch einige
Jahre brachte C. in diesem unglücklichen
Zustande zu, bis ihn — den neuesten Mit-
theilungen zu Folge s^iehe unten in den
Quellens — der beglückende Tod im
Kreise seiner Augehörigen von seinem
Leiden erlöste. Natürlich fehlt es bei ei^
nem Künstlerleben so traurigen Ausgangs
nicht an mannigfachen romantischen Zu-
sätzen, Zwischenfällen n. dergl. in., deren
Wahrheit unverbürgt und welche hier
keine weitere Berücksichtigung finden kön-
nen. Insbesondere wird als Ursache sei-
nes Wahnsinns die Rivalität mit dem
Zigeuner Bihari angegeben nnd aus
diesem Anlasse eine ganz abenteuerliche
Anekdote erzählt. Graf Stephan Fay
nnd der Musikkenner Andreas Fay er-
kennen in C.'s Compositionen ebenso viel
classische Tiefe, als ursprünglichenGeniuö.
Die Ungarn nennen C. ihren Beet-
hoven; Graf Dessew ffy äußerte sich,
als er C. einst bei dem Grasen Fay
spielen gehört: „Ich habe Rhode oft in
Paris gehört, aber einen solchen Strich
hatte er nicht". In der vom Grafen
Stephau Fay veranstalteten Sammlung
der besten älteren ungar. Compositionen,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Coremans-Eger, Volume 3
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Coremans-Eger
- Volume
- 3
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1858
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 456
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon