Page - 139 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Coremans-Eger, Volume 3
Image of the Page - 139 -
Text of the Page - 139 -
139
rühmten Monolog aus der „Jungfrau
von Orleans" vortrug, zeigte sie bereits
ihre dramatische Begabung, nud als sie
später in „Wilhelm Tell" die Rolle der
Armgard spielen sah, sprach sie ihre
Neigung für die Bühne unverholen aus.
Da ihre Bildung noch nicht vollendet war,
erfüllte der Vater den Wunsch der Toch-
ter nicht, gewährte ihn aber, als sie 2
Jahre später dieselbe Neigung offenbarte.
Im Alter von 15 Jahren spielte sie in
Innsbruck die „Pfefferrösel" im gleich-
namigen Stücke. Nach dieser Proberolle
wurde sie au diesem kleinen Theater en-
gagirt, konnte
sich
aber den beschränkten
Verhältnissen kleiner Bühnen zu Folge
keinem besondern Fache widmen. Von
Innsbruck kam sie nach Brunn und er-
weckte als „Maria Stuart", „Johanna",
„Parthenia" allgemeine Aufmerksamkeit.
In Brunn sah sie Baron Perglas, In-
tendant des Hoftheaters zu Hannover
und gewann
sie für seine Bühne, welche
sie 1845 betrat. Im folgenden Jahre
machte sie eine Kunstreise, spielte in
Frankfurt a/M., wo Gutzkow die Be-
deutenheit ihres Talentes anerkannte;
in Hamburg, wohin sie 1847 wieder-
kehrte und wo die Schröder ihr eine
schöne Zukunft prophezeite; im I . 1848
auf mehreren kleineren Hofbühnen und
1849 in Berlin, wo sie Tie cks
Aufmerk-
samkeit erweckte, ohne jedoch im Publi-
cum entschieden durchzugreifen, woran
zunächst der süddeutsche Dialect, der den
Berlinern nie gefallen will und wird,
Schuld trägt. Bis zum Jahre 1851 blieb
sie in Hannover. Noch war aber ihr
bedeutendes dramatisches Talent nicht
ganz zum Durchbruche gekommen.
Sie spielte kleinere Rollen wie die
Königin im „Don Carlos" u. dgl. m.;
erst als sie die „Deborah" in Mosen-
thals gleichnamigem Stücke darstellte,
kamen sie und das Publicum zugleich
zur Einsicht ihres eigentlichen Talentes, welches
sie ausschließlich zu hochtragischen
Rollen berief. Bon Gastspielen in Bre-
men und München mit den Zeichen glän-
zender Anerkennung nach Hannover zu-
rückgekehrt, erhielt sie mit einem Male
vier Anträge zugleich, von Küstner für
Berlin, von Baron G all für Stuttgart,
von Dingelstedt für München, von
Laube für Wien. München both ihr die
eigentlich würdige Laufbahn für ihr Ta-
lent und diesen Antrag nahm die Künste
lerin au. Seit dieser Zeit und heute noch
wirkt sie an dieser Bühne. Ihre Glanz-
rollen
sind : „Julie", „Iphigenie", „Phae-
dra", „Judith" „Iokaste", „Antigone".
Ueberhaupt ist sie groß in den weiblichen
Charakteren des classischen Alterthumes,
wozu ihre seltenen Borzüge des Organs
und ein vollendetes Ebenmaß in der
äußeren Erscheinung wirksame Hilfe
leisten.
Ergänzungs-Conversations-Lerikon von Dr. Fr.
Steg er (Leipzig u. Meißen 1353, Lex. 8°.)
VIII. Bd. S. 703. — Meyer (I.), Das
große Conversations - Lexikon für gebildete
Staude (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst.,
Lex. 8°.) I I . Suppl. Bd. S. 1273. — Il lu-
ftrirte Zeitung. Im Jahrgange 1848 oder 49
befindet sich ihr Porträt. — Im Nürnberger
Correspondenten spricht sich ein gewandter
dramatischer Kritiker über Mar ie Dam-
böck in dem Aufsatze: „Die Münchener
Hofbühne und ihre hervorragendsten Mitglie-
der unter Dr. Fr. Dingelstedts Leitung"
folgender Maßen aus: „Marie Dambös
machte in München die Aufführung der anti-
ken Tragödien und der Hebbel'schen Stücke
mit ihren aus Marmor und Feuer geschaffe-
nen Gestalten möglich. Ihre schönen, edlen,
aber kühn ausgeprägten und tief-ernsten Ge-
sichtszüge, ihr imposantes Organ mit seinen
durch alle Stimmregister volltlingenden, mar-
kigen und metallreichen Tönen, ihre hohe, echt
tragische Gestalt, voll edler Würde und schö-
ner Fülle bestimmen sie in ungleich höherem
Grade zu dem Ausdrucke der Kraft als der
Zartheit, der Erhabenheit als der Innigkeit,
der Leidenschaft als der Empfindung und
rücken die Idealität und die Plastik der anti-
ken Tragödie, sowie alle gigantischen, ihrer
Natur losgelösten Charaktere zu ihrer Pro-
ductionskraft in eine weit engere und unmit-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Coremans-Eger, Volume 3
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Coremans-Eger
- Volume
- 3
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1858
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 456
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon