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Gurlitt 39 Gurlitt
seinem Vater aus, der, ohne jemals
zeichnen gelernt zu haben, die seltene
Gabe besaß, seine Erzählungen, womit
er die Kinder belustigte, durch bildliche
Darstellungen zu veranschaulichen. Unter
solchen Umständen entwickelte sich in ihm
sehr früh die Neigung für's Zeichnen, und
von Seite der Eltern unterblieb nichts,
das schöne Talent des Knaben zu ent-
wickeln. Den ersten Unterricht im Zeichnen
leitete Hr. Gensler in Hamburg, deffen
vortreffliche Methode auch die besten
Früchte trug. 16 Jahre alt, trat Gur«
l i t t in die Malerschule des Malers I .
Bendixen in Hamburg, in welcher vier
Jahre zu bleiben er sich verpflichten
mußte. Während dieser vier Jahre mußte
G. seinem Lehrer viel bei der Dekora-
tionsmalerei behilflich sein; diese Beschäf-
tigung, für den werdenden Künstler sehr
qualvoll, gereichte seinen Eltern, die
darin einen sichern Broterwerb für die
Zukunft gewahrten, zu großer Beruhi«
gung. Unter solchen Umständen sah G.
sehnsüchtig dem Augenblicke entgegen,
der ihn der gegen seinen Lehrer einge-
gangenen Verbindlichkeit entband. Ben-
diren's Versprechen, ihm nach vollen-
deter Lehrzeit zu einem Stipendium zu
verhelfen, blieb erfolglos; von den Eltern
glaubte er keine weitere Hilfe ansprechen
zu dürfen; so beschloß er demnach, sich
auf's Porträtmalen zu verlegen. G. por-
trätirte und sparte und hatte in einiger
Zeit 400 Thaler zurückgelegt. Nun trat
er seine Fußreise nach Kiel an, und von
da ging's nach Kopenhagen und weiter
nach Norwegen, wozu Dahl's und
Morgenstern's Bilder und Steffens'
Romane mit ihrer meisterhaften Schil-
derung der nordischen Natur wesentlich
beigetragen hatten. Begeisterung für die
Kunst ließ ihn manche Entbehrung ver»
gessen. In Norwegen übte die gewaltige Natur ihre Eindrücke auf unsern jungen
Künstler, und schon die erste Schöpfung
war eine so bedeutende, daß das in Ko>
penhagen ausgestellte Bild Gur litt's,
welches eine norwegische Gegend vor«
stellte, von dem Grafen Raczynski ge»
kauft wurde, in dessen Gallerte zu Berlin
es
sich
noch befindet. G. kehrte nunmehr
nach Kiel zurück und durch Vermittlung
des Professors 3und gelang es ihm,
Eintritt in die Gypsschule der Akademie
und später in die Modellschule zu erhal«
ten, wo er im ersten Winter schon die
silberne Preismedaille «erhielt. Bald aber
gewann die Liebe zur Natur die Ober«
Hand; er malte Landschaften, die Natur
in ihren innigsten und finnigsten Heim«
lichkeitm belauschend. Dabei wirkte die
naturalistische Richtung, der man in Ko«
penhagen huldigte, so mächtig auf G. ein,
daß er alles bisher gelernte mehr Con-
ventionelle förmlich zu vergessen sich be»
mühte und fast ängstlich an die Natur sich
hielt. Unter solchen Studien brachte G.
mehrere Jahre in Dänemark, Norwegen
und Schweden zu, an der Großartigkeit der
dortigen Natur seinen Künstlergeist labend
und sie bleibend in seine Seele aufneh»
mend. Im Mai 4837 vermalte
sich
Gur-
litt zum ersten Male, begab sich mit
seiner Gattin nach München und von
dort nach Oberitalien. Nach zwei Jahren
entriß ihm der Tod feine Frau, und G.
verließ in tiefem Schmerze das Land der
Kunst und reiste nach Kopenhagen zurück,
um im Kreise der Familie seiner dahin«
geschiedenen Frau arbeitfördernde Ruhe
zu erstreben. Vier Jahre lebte G. nun in
Kopenhagen, und seine in dieser Periode
gelieferten meisterhaften Arbeiten bewirk«
ten seine Aufnahme als Mitglied in die
königliche Akademie. Von Kopenhagen
begab sich G. nach Düsseldorf, vermalte
sich daselbst zum zweiten Male und reiste
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Volume 6
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Guadagni-Habsburg
- Volume
- 6
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 502
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon