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Habsburg — Fraw Joseph 228 Habsburg — Fran) Joseph
alle Hoffnungen setzten, ergriff er mit
jungerHand das Kaiserscepter. MitKaiser
Franz Joseph beginnt in Oesterreichs
Geschichte eine neue Aera: Der Ab-
bruch des alten morschen, der
Aufbau des neuen Oesterreich.
Bei dem völligen Mangel an Selbst'
bestimmung, durch den Oesterreichs Volks-
stämme den früheren Verhältnissen zu
Folge so weit zurückgeblieben, war es
eine der schwierigsten Aufgaben,' sie der-
selben vorbereitet entgegenzuführen. Eines
vollen Iahrzehendes hat es zur Lösung
dieser schwierigsten aller Aufgaben be<
durft. Den italienischen Krieg, der be-
reits 1848 begonnen, hatte Radetzky
siegreich zu Ende geführt; das aufständi-
sche Wien war noch vor des Kaisers
Franz Joseph Regierungsantritte von
Win dischg ratz zur Ordnung gebracht
und über die Rädelsführer strenges Ge-
richt gehalten worden; in Ungarn aber
wüthete noch fort der Kampf. Dasselbe,
den Thronwechsel nicht anerkennend und
von Oesterreich völlig
sich lossagend, stellte
eine großartige Revolutions>Armee auf.
Der junge Kaiser wohnte dem Kampfe in
Person bei und gesellte zu den in Italien
von dem Erzherzoge erworbenen Lorbeeren
neue bei Raabs Erstürmung. Eine Zusam-
menkunst des Kaisers mit Kaiser Niko-
laus in Warschau am 21. Mai 1849 be-
reitete nunmehr den Einmarsch der Russen
in Ungarn vor, und im August 1849 war
dieses unterworfen. Nun erst konnte an
das Werk des Friedens und an den Auf«
bau des neuen Oesterreich geschritten wer«
dem Wenn hier von einem neuen Oester-
reich, der Nothwendigkeit eines solchen
und der Unhaltbarkeit des alten gespro-
chen wird, so stützen wir uns nur auf die
Ansicht eines berühmten und von Pa-
triotismus durchglühten Staatsmannes.
Ficquelmont sagt in seiner Schrift: „Rußlands Politik und die Donau-Für»
stenthümer" (Wien 1834) S. 49: „Es
ist in Oesterreich zur Revolution gekom-
men, weil die Regierung der Bewegung
des Fortschrittes, in welche die allma-
lige Modisication der Sitten und neu
auftauchenden Bedürfnisse die Staats-
verwaltung nothwendiger Weise versetzt
hatten, fremd geblieben war. Die Re-
gierung war dahinter zurückgeblieben und
fand sich dadurch gewissermaßen abge-
schnitten". Es galt also, daß die Regie-
rung selbst in die Bahn des Fort-
schrittes trete, und einerseits den ihr be-
kannt gewordenen Bedürfnissen der ein»
zelnen Volksstämme gerecht werde, an-
dererseits die durch den letzten Bürger-
krieg und die demselben vorangegangene
Lethargie alles politischen Lebens ge-
lockerte Staatseinheit, dem Wahlspruch
des Kaisers gemäß: viridus unitiS)
festige. Indem also das Einheitsprincip
in den Vordergrund gestellt wurde, mußte
die alte Verfassung Ungarns, das übrigens
durch seinen offenen Aufruhr gegen den
rechtmäßigen König sein früheres Recht
verwirkt hatte, zunächst fallen. Die Auf-
Hebung dieser Verfassung war für das
Land selbst die größte Wohlthat, denn
diese Verfassung war weniger ein Inbe-
griff von alten Rechten, als ein in Jahr-
hunderten zusammengewachsenes Con»
glomerat von Gewohnheitsunrechten, das
dem einen Theile, dem Adel, Alles gab,
dem andern, dem Volke, Alles nahm.
Die constitutionellen Formen aber, welche,
so lange Graf Stadion im Cabinete
thätig war, für den Gesammtstaat in
Ausführung gesetzt werdensollten, wurden,
da es einen, den verwickelten Verhält-
nissen der Monarchie entsprechenden,
jedoch möglichst einfachen Modus erst zu
finden galt, vorderhand beseitiget; hin«
gegen an der Durchführung des gleich«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Volume 6
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Guadagni-Habsburg
- Volume
- 6
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1860
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 502
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon